Anna Leah Gebühr & Ella Shively

Anna- Leah Gebühr and Ella Shively ©Anna- Leah Gebühr and Ella Shively

Anna-Leah Gebühr und Ella Shively lernten sich 2015 kennen, als Anna-Leah ein Semester als Austauschschülerin an der Central High School in La Crosse, Wisconsin, verbrachte. Seitdem sind die beiden eng miteinander verbunden. In diesem Interview blicken sie auf ihre gemeinsamen Erlebnisse zurück und sprechen über die dauerhafte Freundschaft, die durch das GAPP-Austauschprogramm entstanden ist.

Anna-Leah Gebühr (GAPP-Alumna 2015) ist Philanthropie-Fundraiserin und Forscherin und studiert derzeit an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris sowie an der Universität Heidelberg. Sie brennt dafür, Ressourcen dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden, und hat zuvor für die UNO-Flüchtlingshilfe (Germany for UNHCR) sowie für UK Youth gearbeitet. Anna-Leah hat einen BA in War Studies vom King’s College London und einen MPhil in Education & Politics von der University of Cambridge.
 
 

Ella und Anna-Leah: Eine Freundschaft über den Atlantik

Wie hast du dich gefühlt, als du Anna-Leah aus Deutschland bei dir zu Hause willkommen heißen konntest? Wie habt ihr euch auf ihren Aufenthalt vorbereitet, und welche Erwartungen hattest du an die gemeinsame Zeit?

Ella: Anna und ich hatten uns bereits in unserer Show-Choir-Gruppe kennengelernt, ich kannte sie nicht besonders gut, fand sie aber cool! Deshalb war ich ziemlich begeistert, dass sie bei uns wohnen würde. Meine Familie hatte das Glück, ein Gästezimmer im Keller frei zu haben, das wir als Annas Zimmer eingerichtet haben. Ich war ein kleines bisschen besorgt, noch eine weitere Person im Haus zu haben, da ich damals eher introvertiert war – aber offensichtlich hat alles wunderbar funktioniert!

Wie war es, dein Zuhause, deine Schule und deinen Alltag mit einer Schülerin aus einer anderen Kultur zu teilen? Gab es Überraschungen oder Herausforderungen?

Ella: Wir hatten keinen Unterricht zusammen, sind aber gemeinsam mit dem Fahrrad zur Schule gefahren. Oft haben Anna, meine Schwester und ich nach dem Abendessen draußen Spiele gespielt. Wir waren ziemlich gut darin, uns zurückzuziehen, wenn wir Zeit für uns brauchten. Mir wurde klar, dass manche alltäglichen Dinge in meinem Leben gar nicht so alltäglich waren. An Annas erstem Tag habe ich ihr das Haus gezeigt und so etwas gesagt wie: „Hier ist die Mikrowelle, die weißt du ja zu bedienen.“ Seitdem verbindet uns der legendäre Mikrowellenvorfall von 2005, Annas mikrowellenlose Kindheit und die Überfülle an Knöpfen amerikanischer Mikrowellen.

Kannst du einen typischen Tag während des Austauschprogramms beschreiben?

Anna-Leah: An einem normalen Tag mit meiner Gastfamilie sind wir Kinder aufgestanden, haben uns mit einem Buch und Frühstück an die Küchentheke gesetzt, und da wir alle keine Morgenmenschen waren, brauchten wir eine Weile, um aufzutauen. Wir sind mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, und dann hatte ich einen ganz normalen Schultag – einige Fächer musste ich belegen, um in Deutschland den Anschluss zu halten, wie Mathe und Spanisch, aber andere waren besonders spannend, weil es sie an meiner Schule nicht gab, zum Beispiel Chor und Theater. Manchmal bin ich nach der Schule in meinen Ballettunterricht gegangen, aber meistens sind Ella und ich mit dem Rad nach Hause gefahren, haben mit der ganzen Familie zu Abend gegessen und danach zusammen 30 Rock geschaut. Die Shivelys wohnen in der Nähe der Bluffs in La Crosse, daher sind wir nach der Schule oft spazieren oder wandern gegangen oder haben auf der Veranda gelesen.

Wie habt ihr beide im Laufe des Jahres eine Beziehung aufgebaut und welche gemeinsamen Erlebnisse sind euch besonders im Gedächtnis geblieben?

Ella: Anna und ich haben viele Stunden auf der Veranda verbracht, einfach nur plaudernd oder in angenehmem Schweigen an unseren kreativen Projekten arbeitend. Auch nach all den Abenteuern, die wir als Erwachsene zusammen erlebt haben, reden wir immer noch über diese Veranda-Tage. Abgesehen davon, dass wir uns auf unserer ersten gemeinsamen Wanderung ein wenig verlaufen haben, war eines meiner Lieblingserlebnisse mit Anna ein Aufenthalt in der Hütte von Familienfreunden im Norden Wisconsins. Wir haben in Stockbetten geschlafen, Annas erstes S’more geröstet und stundenlang auf dem See gepaddelt. Am Abend unserer Ankunft lief uns ein Hund vor das Auto, sodass wir plötzlich stark bremsen mussten. Wir alle waren angeschnallt, aber die Minz-Crème-Torte auf dem Rücksitz hatte weniger Glück. Nachdem wir sie aus den Lüftungsschlitzen gekratzt hatten, schmeckte sie sogar noch besser – und wir erzählen uns diese Geschichte bis heute jedes Mal, wenn wir uns sehen. (Dem Hund ging es übrigens gut.)

Welches Erlebnis aus deiner Austauschzeit wirst du nie vergessen? Wie hat deine Gastfamilie dazu beigetragen, diesen Moment besonders zu machen?

Anna-Leah: Da gab es einige! Ich nehme den ersten Tag mit meiner Gastfamilie: Ich war schon ein paar Wochen in den USA, wohnte aber woanders, und während die Erwachsenen in der Küche etwas besprachen, saßen Ella, ihre jüngere Schwester Ava und ich im Wohnzimmer auf dem Boden und begannen (ohne besonderen Grund, außer dem Kopf einer 15-Jährigen) Let it Go aus Frozen zu singen. Was darauf folgte, war ein ziemlich ereignisreicher Tag: Wir gingen wandern, verirrten uns prompt etwas im Wald, fanden den Weg zurück und lagen später auf dem Trampolin, während wir die Glühwürmchen beobachteten. Es war großartig, und ich fühlte mich sofort zuhause!

Kannst du ein Erlebnis beschreiben, das dir besonders aufgefallen ist, und warum es bedeutend war?

Ella: Ich erinnere mich daran, dass Anna bemerkte: „Überall sind Flaggen“ in den Vereinigten Staaten. In meiner Kindheit war die amerikanische Flagge ein so alltägliches Motiv in meiner Umgebung, dass mir das nie aufgefallen war, bis sie es erwähnte.

Wenn du zurückblickst, wie würdest du deine Zeit als Schülerin an einer US-Schule mit deiner Erfahrung an einer deutschen Schule vergleichen?

Anna-Leah: Es war so anders! Ich kam in die USA auf dem Höhepunkt des High School Musical-Hypes, und ich erinnere mich, dass ich überrascht war, dass die Tische in der Cafeteria tatsächlich rund waren, mit fest montierten Stühlen. Und während die meisten sagen würden – „Naja, es ist doch nicht wie HSM, niemand bricht zufällig in Gesang aus“ – müsste ich antworten, dass sie wohl nie ihre Mittagspause im Musikflur der Central High verbracht haben. Die Klassen waren auch ziemlich unterschiedlich, aber die auffälligsten Unterschiede waren Dinge wie Amoklauf-Übungen und ein Polizist, der ständig an der Schule stationiert war. Das soll niemanden abschrecken, es war einfach nur ein ganz anderes Verständnis vom Raum Schule als in Deutschland.

Inwiefern hat es deine Sprachkenntnisse verbessert, in einer englischsprachigen Umgebung zu leben und mit Amerikanern zu interagieren?

Anna-Leah: Ich erinnere mich erstaunlich wenig daran, wie ich Englisch gelernt habe! Ich weiß aber noch, dass ich in den ersten Wochen sehr viel ruhiger war und dann gemerkt habe, dass ich irgendwann reden musste, wenn ich Freunde finden wollte – also tat ich es. Mein Selbstvertrauen in einer Fremdsprache zu sprechen habe ich definitiv durch dieses Austauschsemester gewonnen und hätte mich wahrscheinlich nicht für Universitäten in England beworben, wenn ich diese Erfahrung nicht gemacht hätte. Heute ist Englisch ein alltäglicher Teil meines Lebens.

Habt ihr heute noch Kontakt und wie hat sich eure Beziehung entwickelt, seit Anna-Leah nach Deutschland zurückgekehrt ist?

Ella: Wir sitzen gerade zusammen! Wir telefonieren alle paar Wochen (danke, WhatsApp) und wechseln uns ab, über den Atlantik zu fliegen. Wir sind beide ziemlich erwachsen geworden, aber die Kernfreundschaft fühlt sich immer noch genauso stark an.


Anna-Leah: Ella sitzt gerade neben mir – es ist unser 10-jähriges Wiedersehen! Unsere Beziehung hat sich stark weiterentwickelt, während wir erwachsen wurden: vom Elternhaus über Wohnheime bis zu unseren eigenen Wohnungen. Wir haben uns bei Bewerbungen für Studium (und Master) unterstützt, bei Job-Sorgen und vielem mehr. Wir versuchen, uns jedes Jahr zu sehen, abwechselnd auf einem Kontinent, und abgesehen vom Pandemiejahr hat das auch fast immer geklappt! Ich habe außerdem ihre Schwester und ihre Großeltern an verschiedenen Orten getroffen, wenn sie nach Europa reisen (und natürlich auch in den USA), und ich versuche, Highschool-Freunde zu sehen, wenn wir in La Crosse sind. Ansonsten bin ich dankbar für soziale Medien und unkomplizierte Ferngespräche!

Welchen Rat würdest du Schüler:innen geben, die einen GAPP-Langzeitaustausch in Erwägung ziehen?

Anna-Leah: Es wird wahrscheinlich einen Moment geben, in dem dir die Idee, so lange alleine ins Ausland zu gehen, völlig verrückt vorkommt. Bei mir war es der Moment, als das Flugzeug abhob – ich dachte nur: „Was habe ich getan?“ Was ich sagen möchte: Diese Erfahrung ist diesen Moment wert. Vor einigen Jahren reiste ich in die USA, um Ella und meine Gastfamilie zu besuchen, und an der chaotischen Passkontrolle am Flughafen stand neben mir ein Mädchen in dem Alter, in dem ich damals meinen GAPP-Austausch begann. Sie weinte ein wenig und erzählte mir, dass sie für ihr Austauschsemester in die USA fliegen würde. Ich glaube, sie hatte genau diesen Moment, voller Sorgen. Also erzählte ich ihr, dass ich gerade auf dem Weg war, meine Gastfamilie wiederzusehen – in diesem zweiten Zuhause, das ich gefunden habe. Es ist die Mühe, den Mut und das Wachstum wert – ich hoffe, sie würde mir zustimmen.

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