Die Jury des Helen und Kurt Wolff Übersetzerpreises freut sich sehr, Vincent Kling als Gewinner 2022 zu verkünden. Er wird für seine Übersetzung von Heimito von Doderers The Strudlhof Steps (Die Strudlhofstiege) ausgezeichnet, herausgegeben von NYRB. Der Roman zählt zu Österreichs renommiertesten literarischen Werken, wurde aber bisher nicht ins Englische übersetzt. Er bewegt sich zwischen zwei Zeiträumen – 1908 bis 1911 und 1923 bis 1925 – und vereint eine Reihe faszinierender Charaktere aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Während der vielen Jahre, die Vincent Kling diesem ausgesprochen schwierigen Text gewidmet hat, führte er ein Übersetzungstagebuch. Ein Teil davon wurde in Asymptote veröffentlicht. Es bietet Lesern einen Blick hinter die Kulissen von Klings riesigen Herausforderungen. Etwa, die unverwechselbaren Idiolekte des Romans wiederzugeben. In seinem Tagebuch schreibt er: “panoply of types worthy of Chaucer or Balzac or Dickens (or Joyce)—droll or menacing, devious or naïve, brilliant or plodding, real deal or wannabe”. Oder, die sprachliche Verspieltheit zu treffen. Beeindruckt und bewegt hat unsere Jury die Musikalität der Übersetzung (“contrive, connive, keep the tryst alive”), der Zauber der Alliterationen (“secret sharer of his solitude”), die Dominanz der Fachausdrücke und der metaphorische Erfindungsreichtum (“her neck lengthened out over the situation”), sowie die Aufrechterhaltung der langen und verschlungenen Sätze des deutschen Originals und die Einführung von Neologismen (“advicelets”). Wir gratulieren Vincent Kling zu diesem monumentalen linguistischen und literarischen Erfolg, deren meisterhafte Qualität auf jeder der mehr als 800 Seiten des Romans aufrechterhalten wird. Vielleicht ist es kein Zufall, dass das allerletzte Wort dieser glänzenden Übersetzung „Perfektion“ ist.
DIE JURY
Shelley Frisch, Princeton, NJ, Vorsitzende der Jury
Bettina Abarbanell, Potsdam, Germany
Philip Boehm, Houston, TX
John Hargraves, New York, NY
Susan Harris, Chicago, IL