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München, 15.11.2008: Ein Jahrmarkt – ganz ohne Wunderheiler

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München, Mariahilfplatz. Zu Füßen der Wallfahrtskirche Mariahilf, die, nicht weit entfernt vom Zentrum der Stadt, diesen eigentlich ruhigen Ort überragt, stehen heute unzählige Stände, die den Besuchern unterschiedlichste Artikel des Alltagslebens anbieten. Das also ist die Auer Dult. Diese Veranstaltung, ein echtes Volksfest, findet dreimal im Jahr statt. Man hat also die Möglichkeit, alles nachzuholen, wenn man die eine oder andere Dult verpasst hat. Anders als beim Oktoberfest, bei dem man sich, hatte man nicht das Glück, im September in München gewesen zu sein, zwölf ganze Monate gedulden muss, um an der so genannten Wiesn teilnehmen zu können.

Die Auer Dult erinnert in ihrer Form an die Märkte, die regelmäßig in Abidjan stattfinden. Mit vielen Holzbuden und Ständen (die nur für die Dauer der Veranstaltung aufgebaut werden) und vor allem vielen Waren, die den Besuchern angeboten werden. Dennoch unterscheidet sich die Auer Dult sehr von den Märkten in Abidjan, da sie einer alten Tradition unterliegt, die vor 200 Jahren entstanden ist. Diese lässt vor allem die bayerische Kultur weiterleben, während die Trödelmärkte in Abidjan eher aus rein wirtschaftlichen Gründen entstanden sind. Sie sind eine Möglichkeit für die Teilnehmer, gute Geschäfte zu machen, indem sie ihre Produkte verkaufen. Hauptsächlich handelt es sich dabei um neue Waren zu überteuerten Preisen.

Hier kümmert man sich wenig um Geschichte oder Traditionen. Was zählt: Das Geld, das investiert wurde, um den Stand zu kaufen, wieder einzunehmen oder sogar Gewinn zu machen. Man begnügt sich also mit dem Verkaufen, Verkaufen und noch mal Verkaufen.

Ein weiterer Unterschied ist, dass auf der Auer Dult keine Medikamente verkauft werden. In Abidjan werden die Märkte mit Vorliebe von „traditionellen“ Medizinern besucht, die ihre Verkaufsstände mit allen Arten von Mixturen oder Getränken auf Pflanzen- und Baumrindenbasis überhäufen, die den Kunden eine bessere Gesundheit versprechen. Mit Prospekten oder Handzetteln ausgestattet, die die Vorteile ihrer Produkte anpreisen, „verkaufen“ sie Gesundheit mit Eloquenz und manchmal allzuviel Selbstsicherheit.

Einige behaupten gar, alle Krankheiten heilen zu können. Wahre Supermediziner, die man auf der Auer Dult zum Glück nicht findet, auf der die bayerische Kultur hoch im Kurs steht. Das macht den ganzen Charme dieses Jahrmarkts, der zugleich ein Volksfest ist, aus.

Auch während der dritten und letzten Dult des Jahres 2008 hat sich der Mariahilfplatz für eine Woche in einen schillernden und bunten Markt antiker, angeblich antiker und offensichtlich alles andere als antiker Gegenstände verwandelt. Man findet hier ein bisschen von allem: Kleinkram, Keramik, Textilien, Leder, Glaswaren, typisch bayerische Kleidung und vor allem Geschirr, das heißt Teller, Schalen und Teekannen aus Porzellan mit schön gezeichneten Motiven, wie jene, die Barbara Bartnick unter einem großen Zelt anbietet: Hechte, Wildschweine im Schnee, rennende Hasen. „Ich kaufe das Porzellan und bemale es dann selbst“, erzählt sie. Sie übt diese Tätigkeit seit 29 Jahren aus, nachdem sie all die Verkauftricks von ihrer Mutter gelernt hat. Barbara Bartnick sagt, sie fahre oft durch ganz Deutschland, um geeignetes Porzellan zu finden. Dann reist sie jedes Jahr dreimal zur Auer Dult.

Bei ihr findet man Waren für jeden Geldbeutel. Für zwei oder drei Euro kann der Besucher eine Schale, einen Teller oder eine Schüssel erstehen. Allerdings muss man für einige Artikel, zum Beispiel für ein hübsches Tablett, etwas mehr bezahlen. „Dieses Jahr verkaufen wir etwas mehr als während der letzten Auer Dulten“, freut sich Frau Bartnick, auch wenn sie zugibt, dass sich die Käufer nicht gerade um ihren Stand drängeln. „Den Leuten fehlt das Geld. Einige behaupten auch, dass ihre Küche bereits voll ausgestattet ist“, fügt sie mit einem Funken Zweifel hinzu.

Auf der Auer Dult gibt es auch feines Essen: gebratene Hendl, Steckerlfisch und natürlich bayerische Spezialitäten wie Weißwürste, die mit süßem Senf und Brezn gegessen werden. Ohne natürlich das gute hiesige Bier zu vergessen. Aber auf der Auer Dult gibt man sich nicht nur mit dem Einkaufen, gutem Essen und reichlich Biergenuss zufrieden. Man kann sich prächtig amüsieren, vor allem die Kinder freut das. Im Schaustellerbereich findet man Autoscooter, ein 22 Jahre altes Karussel (mit Pferden für die ganz Kleinen) oder auch eine 83 Jahre alte Reithalle.

100 uralte Kostüme

Eine der großen Attraktionen der Auer Dult ist unumstritten das Fotostudio von Stephan Bastian, einem Hüter historischen Gewands. Bei ihm erinnert alles an das 18. Jahrhundert: der Fotoapparat, die Kulisse und natürlich die Kostüme. Für die Dauer eines Fototermins versetzt dieser Fotograf den Besucher drei Jahrhunderte zurück, in die Haut eines Cowboys, Piraten, Lokomotivführers oder Aristokraten.

Es ist, als ob er die Zeit zurückgedreht hätte. Ein Spiel, das die Besucher sehr amüsiert. „85 Prozent der Personen, die bei mir ein Foto machen lassen, haben viel Spaß dabei“, gesteht Stephan Bastian. Er behauptet, er besitze mindestens 100 uralte Kostüme, darunter auch typisch bayerische Kleidung aus dieser Zeit. Im Durchschnitt mache er an die 60 Fotos pro Tag. Auf den Fotos, die er stolz vor seinem Studio aufstellt, sieht man in München bekannte Persönlichkeiten, zum Beispiel den Bürgermeister Christian Ude.

Die Auer Dult ist ein Markt, der die Münchner mit ihrer Tradition und ihrer Kultur in Einklang bringt.

Yacouba Sangaré,
veröffentlicht am 15.11.2008 in der Süddeutschen Zeitung.

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