Berlin

Berlin, 8.11.2008: Positive Energien

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Wie mühelos es Femi Kuti gelingt, sein Publikum in Trance zu versetzen! Eines muss man dem Sohn des verstorbenen Meisters des Afrobeat Fela Anikulapo-Kuti lassen: Er ist ein erstklassiger Entertainer. Und er weiß es.

Volles Haus in der Kulturbrauerei. Wie schnell sich der Saal gefüllt hat! Keine Chance – das war klar – auf einen pünktlichen Anfang. Heute Abend würde es so wie in Lagos laufen. Ein DJ bearbeitet unser Trommelfell. Schnelle afrikanische Rhythmen aus den wo auch immer platzierten Lautsprechern. Oh Wunder! Nicht wenige der Nachtschwärmer bewegten sich im Takt.

Wie ein Dieb in der Nacht schleicht sich das Konzert an. Lange Vorreden sind auch nicht nötig. Ging nicht schon viel zu viel Zeit verloren? Jawohl, da haben wir die legendäre deutsche Pünktlichkeit.

Unter großem Spektakel betritt die Band die Bühne. Die Gruppe heißt Positive Force, falls Sie es noch nicht wussten. In Nigeria betritt das große Maskenkostüm die Bühne immer als letztes. So macht Femi das auch. Natürlich habe ich beim Publikum mit großer Spannung gerechnet. Aber eine so fulminante Eröffnung hatte ich nicht erwartet.

Die Zahl seiner blauäugigen Anhänger, die ihm wie dem Rattenfänger von Hameln folgen, wächst fast täglich. Wen von ihnen kümmert es, dass er seine schillernde Karriere durch sein unaufhörliches Lästern über das leere Geschwätz der Führung Nigerias und Afrikas aufpolierte? Warum sollte es ein deutsches Publikum auch interessieren, wie Nigeria mit seinen Ressourcen Misswirtschaft betreibt? Sein verstorbener Vater Fela nahm bei seinen berühmt-berüchtigten Yabis-Sessions regelmäßig nigerianische Politiker aufs Korn. Femis Version ist nicht weniger beißend. Der nigerianische Botschafter in Deutschland hätte ihn einmal hören sollen! Wobei ich mich frage, ob irgend jemand die Fakten bestreiten könnte, so unerfreulich sie auch sind.

Die Kraft der Musik! Alle tanzen. Wir müssen seine Meinung nicht teilen, um seine Musik zu genießen, oder? Und keiner erwartet, dass er ein moderner Sokrates ist. Wenn er sagt „Jump!“, dann springen wir. Und wenn er will, dass wir irgendein sinnloses Kauderwelsch wiederholen, tun wir auch das. Femis Energie pulsiert von seinen hüftschwingenden, spärlich bekleideten Tänzerinnen bis zu den Musikern. Und Femi hält wie der Zauberer mit dem weißen Tuch und dem Kaninchen immer neue Tricks bereit. Seine „Positive Energie” bedeutet nicht, dass er nicht leicht ermüdet, oder? Sein Alter, 46, ist ihm nicht anzumerken. Seinen Zuhörern ebenso wenig.

Okechukwu Uwaezuoke,
veröffentlicht am 8.11.2008 in der Berliner Zeitung.

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