Beirut

Beirut, 17.11.2008: Dialog der Religionen

 © Moschee in BeirutWas das Zusammenleben verschiedener Kulturen in einer Gesellschaft angeht, kann Frankfurt von Beirut eine ganze Menge lernen. Ein Spaziergang durch die Innenstadt macht das deutlich. Da liegen die sunnitische Al Amin-Moschee und die maronitische St.George-Kathedrale Tür an Tür nebeneinander, und nur 30 Meter weiter, am Place de l`Étoile, steht die orthodoxe Kirche St. Georg. Jeden Tag kann man hier den Muezzin-Gesang und das Läuten der Kirchenglocken gleichzeitig hören. Für einen christlich geprägten Europäer ist das ein besonderes Schauspiel, die Beiruter hingegen nehmen davon ebenso wenig Notiz wie von den regelmäßigen Stromausfällen.

Ein solches, auch räumlich enges Nebeneinander der Religionen wäre in Frankfurt undenkbar. Erst in diesem Frühjahr führte der geplante Bau einer Moschee zu einer monatelangen heftigen Debatte. Dabei soll die Moschee nicht einmal im Stadtzentrum, sondern in einem Stadtteil am Stadtrand entstehen. Dennoch beschwerten sich deutsche Anwohner, ihr Stadtteil werde überfremdet. Einige Unbelehrbare argumentierten, der Islam sei eine aggressive Religion und strebe die Weltherrschaft an. Die Gegner gründeten eine Bürgerinitiative, stürmten Ausschusssitzungen des Stadtparlaments und veranstalteten eigene Protestveranstaltungen. Ein eindeutiges Votum der Stadtregierung für die Moschee-Pläne sowie die Erteilung der Baugenehmigung im Juli beendete die Debatte – vorerst.

Was würde erst geschehen, wenn von dieser Moschee aus einst Muezzin-Rufe zu hören sein würden? Die Bauherren, die türkisch-pakistanische Hazrat-Fatima-Gemeinde, haben derlei wohlweislich erst gar nicht eingeplant. Den engstirnigen Nachbarn aber reicht schon der bloße Anblick einer Moschee, um sich aufzuregen.

Dabei gibt es in Frankfurt Moscheen, seit es Zuwanderung gibt. Bisher waren sie jedoch nicht zu sehen, die Muslime beteten in gemieteten Räumen, die nicht als Moschee zu erkennen waren. Die dritte Generation der Zuwanderer – von denen viele den deutschen Pass besitzen – plant nun aber sichtbare Moscheen mit Minaretten.

Auch beim Dialog der Religionen ist Beirut Frankfurt ein Stück voraus. Bereits 1993 gründeten Vertreter von sieben der insgesamt 18 Religionsgemeinschaften das „nationale Komitee für den islamisch-christlichen Dialog“. Vertreter der Drusen in diesem Gremium ist Abbas S. El Halabi. Er sagt: „Ohne den Dialog können wir nicht leben.“ Es gehe darum, sich gegenseitig kennen zu lernen, um den Frieden im Land zu sichern.

Zuletzt ist das Komitee während der Konflikte und der Innenstadt-Blockade im Mai tätig geworden. „Unsere Rolle ist die eines Vermittlers, wir diskutieren keine theologischen Themen“, betont El Halabi.

Der Dialog sei auch deshalb wichtig, „weil wir hier einen schwachen Staat haben“, sagt John Hoover, Professor an der evangelischen Near East School of Theology (NEST) in Hamra. Er erlebe die Gespräche mit den anderen Religionsgruppen als „offen und ehrlich. Keiner dominiert den anderen.“ Als er von Ägypten nach Libanon gekommen sei, sei ihm diese Atmosphäre der gegenseitigen Toleranz schnell aufgefallen. „Es war wie eine Brise frischer Luft.“

Aber es sind nicht nur die religiösen Repräsentanten, die den Dialog schätzen. „Die politische Situation ist angespannt, und sie ist von der Religion nicht zu lösen. Deshalb müssen wir miteinander reden und dabei nicht das Trennende, sondern das Verbindende betonen“, sagt Ousama Shehab, Scheich der sunnitischen Othman-Moschee in Rass Annabeh. Er habe, berichtet er, als Kind mit Maroniten, Katholiken und schiitischen Muslimen Haus an Haus gelebt. „Es hat uns nicht gekümmert, welche Religion wir hatten.“

Im öffentlichen Leben von Beirut ist das auch heute so. Sei es in den Restaurants am Place de l`Étoile oder an der Strandpromenade Corniche – hier flanieren Frauen mit Kopftuch und westlich-modern gekleidete Frauen. Niemand stört sich am anderen.

Freilich ist auch hier nicht alles Gold was da (an der Moschee-Kuppel) glänzt. Besonders unter den Maroniten hat es Gegrummel gegeben wegen des Moschee-Baus, den der 2005 ermordete Staatspräsident Rafiq Hariri initiiert hat. Die Moschee überragt nämlich die aus dem späten 18. Jahrhundert stammende maronitische Kathedrale. Zuvor war sie das höchste Gotteshaus des Landes. Einige sagen – wenn auch nicht öffentlich -, der Moschee-Neubau wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, die einen Steinwurf entfernt liegende alte Al Omari-Moschee hätte ausgereicht.

Dicke Freunde werden Christen und Muslime womöglich auch im Libanon nicht. Aber: Man arrangiert sich. Der Wille zum dauerhaften Frieden jedenfalls ist knapp 20 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs überall zu spüren. Und er wird deutlich durch den „Garten der Versöhnung“, der demnächst zwischen den beiden Georgs-Kirchen nach den Plänen englischer Architekten angelegt werden soll.

In Frankfurt dagegen haben die Vorbereitung für einen „Rat der Religionen“, dem alle in der Stadt vertretenen Religionen angehören sollen, gerade erst begonnen. Und die Moschee-Gegner werden sich, wenn das drei Millionen Euro teure Bauprojekt demnächst startet, wohl wieder zu Wort melden.

Martin Müller-Bialon,
veröffentlicht am 17.11.2008 in Al Hayat.

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