Abidjan

Abidjan, 11.12.2008: Andoubous Zauberpulver

 © Händler, Foto: Marc WidmanAbidjan ist eine Stadt der Händler. Grob geschätzt ist mindestens die Hälfte der vier Millionen Einwohner pausenlos damit beschäftigt, Waren feilzubieten. Sie tun das mit unglaublicher Geduld: Überall in der Stadt sitzen oder stehen sie stundenlang in der tropischen Hitze, harren aus in den schwarzen Abgasen der Autos. Mitten auf der vielbefahrensten Kreuzung schwenken sie bunte Badeschlappen, oder kleine Packungen mit Taschentüchern. Am Straβenrand sitzen sie vor winzigen Tischen und verkaufen Erdnüsse in alten Flaschen oder Bananen. Diese zähen Verkäufer faszinieren mich; lieber kaufe ich bei ihnen als im Supermarkt. Am erstaunlichsten jedoch ist ein Mann namens Andoubou.

Ich treffe ihn zur Mittagszeit in einem Restaurant an der Rue du Canal. Zu dritt essen wir Reis mit Pistaziensoße, als Andoubou hinzutritt. Er muss schon lange auf den Beinen sein, denn er trägt einen völlig durchgeschwitzten Anzug. Graue Bartstoppeln sprießen im Gesicht des Alten. Aus seiner schwarzen Ledertasche zieht Andoubou einen dunklen Holzpenis von beachtlicher Größe und beginnt, mitten über dem gedeckten Tisch, daran zu reiben. Ich bin sprachlos.

Der Alte nuschelt: Wer eine mächtige Erektion bekommen und stundenlang Liebe machen will, für den habe er das richtige. In seiner Tasche lagert er große Mengen eines braunen Pulvers. „Nur ein Löffel davon ins Essen reicht“, raunt Andoubou und zeigt auf unsere Pistaziensoße. Für mich riecht das Wunder-Medikament wie Katzenfutter. Aus was es hergestellt ist, will ich wissen. „Es kommt aus Nigeria“ – mehr will Andoubou nicht verraten, oder er kann es nicht. Sein Französisch ist kaum ausgeprägt. Ganz im Gegensatz zu seinem Marketingwerkzeug, mit dem er weiterzieht, heftig schwitzend, im Dienste der Männlichkeit.

Appetitlich ist seine Art der Werbung nicht gerade. Aber effektiv. Nur so bekommt er in dieser turbulenten Stadt voller Konkurrenten ein kostbares Gut: die Aufmerksamkeit möglicher Käufer.

Können Händler wie Andoubou aus Treichville von ihren Geschäften leben? Wahrscheinlich überleben sie eher, als dass sie sorgenfrei leben. Sie selbst kaufen sich nur das Allernötigste, essen nur einmal am Tag. Die Erfolgreichsten von ihnen aber steigen auf, eröffnen eines Tages ihr eigenes Geschäft, werden Chefs. Dieser Traum lässt sie durchhalten.

Ich stelle mir das lustig vor: Eines Tages sitzt der alte Andoubou in seinem eigenen funkelnden Einkaufszentrum. Er hat es geschafft – sein eigenes Imperium. Seine Mitarbeiter ziehen in großen Schwärmen durch die Restaurants von Abidjan, durch ganz Westafrika. Und überall stehen die Männer Schlange, um Andoubous braunes Zauberpulver zu erwerben. Eine tolle Vorstellung.

Aber wohl leider nur ein Traum.

Marc Widmann,
veröffentlicht am 11.12.2008 in Le Patriote.

Nahaufnahme Weblog

Wie sieht eine litauische Journalistin Bonn? Und was fällt einem Düsseldorfer Redakteur in Budapest auf? Aktuelle Eindrücke im Journalistenblog.