Abidjan, 26.11.2008:
Von München nach Abidjan - Der Stress vor der Reise

Im Grunde ist es kinderleicht, von München nach Abidjan zu kommen. Man fährt zum Flughafen, besteigt einen Airbus und landet keine zwei Stunden später in Paris. Dort steigt man um, lässt sich genüsslich das Mittagessen servieren, schaut auf dem kleinen Bildschirm zwei Kinofilme an – schon landet man in Abidjan. Zwischen der Türkenstraße und der Rue du Canal liegen mehr als 5.000 Kilometer, aber gerade mal eine Reise von 13 Stunden. Alles ganz einfach? Moment. Die Deutschen steigen nicht einfach so ins Flugzeug. Ehe sie sich nach Afrika trauen, beginnen sie eine aufwendige Prozedur, die sich über Wochen erstrecken und ausgesprochen teuer werden kann.
Um Informationen über das Land zu bekommen, schauen sie auf die Internetseite des Auswärtigen Amtes. Dort wird im Fall von Côte d’Ivoire „auf eine erhöhte Sicherheitsgefahr“ hingewiesen. Von Reisen in den Westen des Landes wird dringend abgeraten. Nach Abidjan, Yamoussoukro und einige andere südliche Städte darf man „nach vorheriger Absprache mit der Botschaft und unter Vorbehalt einer plötzlichen Lageänderung“ fahren. Aber im Dunkeln soll man wiederum auf keinen Fall unterwegs sein – „aus Gründen der Verkehrssicherheit und wegen hoher Gefahr von Straßenüberfällen“. Es folgt eine lange Liste von Krankheiten, die es in der Region gibt. Und beim Reisenden entsteht ein leichtes Gefühl der Beunruhigung.
Die nächste Station ist das tropenmedizinische Institut der Münchner Uniklinik. Im Wartezimmer kann man sich mit Merkblättern über die Grausamkeiten der Malaria unterhalten. Nicht gerade motivierend. Die Ärztin ist freundlich, sie war schon öfters in Afrika - das erzählt sie, während sie routiniert Spritzen in den Arm sticht. Dreimal muss man zu ihr kommen. Am Ende ist man geschützt gegen Gelbfieber, Hepatitis A und B, Meningokokken-Meningitis, Typhus, Tollwut, Diphterie und Tetanus. Man hat 265 Euro bezahlt und den eindringlichen Rat bekommen, auf der Reise täglich Malarone zu schlucken, ein vorbeugendes Mittel gegen Malaria. Die roten Tabletten gibt es in der Apotheke nebenan – drei Schachteln für 180 Euro. Die Vorfreude auf die Reise, sie sinkt ein weiteres Stückchen.
Der letzte Ausflug führt in ein großes Fachgeschäft für Fernreisen. Wie von der Ärztin befohlen, ersteht man ein imprägniertes Malarianetz samt Haken, damit man es über seinem Bett befestigen kann. Man kauft ein Mittel namens No-bite, womit man Kleidung und Haut einsprühen soll, damit sie den Mücken stinken. Dazu einen Hut gegen die Sonne. Die Rechnung ist schon wieder über 100 Euro geklettert. Ausgesprochen freundlich sagt die Verkäuferin, dass sie da auch noch ein Notfall-Erste-Hilfe-Paket im Angebot hätte, inklusive steriler Spritzen, oder ein Mittel zum Desinfizieren von Wasser, oder auch extrem feine Filtersysteme, mit denen man selbst die dreckigste Brühe reinigen kann.
Stop! Es reicht! Der Punkt ist gekommen, an dem es auch dem vorsichtigsten Deutschen zu viel wird. Und zu teuer. Keinen Cent gibt er mehr aus. Schließlich fliegt er nicht auf den unbesiedelten Mars, sondern in eine der modernsten Städte Afrikas.
Am Abend, nach 5.000 Kilometern im Flugzeug, sitzt er endlich vor seinem ersten Kédjénou de poulet. Er bestaunt die Frauen in bunten Gewändern, die beeindruckende Lasten auf ihren Köpfen blancieren. Er riecht das würzige Essen, die kratzenden Abgase der Autos – und den beißende Gestank von No-bite. Endlich in Afrika. Endlich kann er sich sein eigenes Bild machen.
veröffentlicht am 26.11.2008 in Le Patriote.