New Delhi, 22.11.2011: Die ganze Vielfalt Indiens

Ein Tag ist einfach nicht genug. Schon am frühen Sonntagnachmittag kann Jaswinder Talwar absehen, dass er bestenfalls die Hälfte aller Stände auf der India International Trade Fair (IITF) zu Gesicht bekommen wird. “Zwei Tage braucht man mindestens. Aber ich habe leider nur heute frei”, sagt der Touristik-Manager, während er in der langen Schlange vor einem der Essensstände mit seiner Frau und den beiden Kindern wartet. Den Pavillon des Bundestaates Kerala haben sie schon gesehen, den Stand des Eisenbahnministeriums besucht, schon mal überlegt, was sie den Verwandten von Indiens größter Messe mitbringen könnten. “Es ist schade, dass das nur einmal im Jahr stattfindet”, findet Talwar.
Die Hindustan Times bescheinigt der IITF der “wichtigste Termin im Kalender der Hauptstadt” zu sein. Tatsächlich handelt es sich um die größte Messe des Indiens. Am 19. November haben sich nach fünf Fachbesuchertagen ihre Tore auch für die Allgemeinheit geöffnet. In der Vergangenheit hat die Messe bis zu 2,5 Millionen Besucher angelockt. Inzwischen ist die Besucherzahl auf 100000 Menschen am Tag beschränkt.
Die IITF ist vieles zugleich: Handwerksmarkt, Leistungsshow der indischen Wirtschaft, Werbeplattform für Regierungseinrichtungen, nicht zuletzt auch eine Art indische Expo, bei der sich die verschiedenen Bundesstaaten in eigenen Pavillons präsentieren. Und manchmal wird die IITF auch als Wahlkampfbühne genutzt, wie der Pavillon des Bundestaates Uttar Pradesh zeigt, auf dessen Front überlebensgroße Portraits von Ministerpräsidentin Mayawati prangen.
Hinzu kommen internationale Aussteller. Die chinesische Delegation hatte im Vorfeld der Besuchertage für Unmut gesorgt, weil sie ihren Pavillon vorzeitig abgebaut hatte. Die Geschäftschancen seien zu schlecht, hieß es zur Begründung.
Hingegen stößt das Angebot des “Erzfeindes” Pakistan auf großes Interesse. Erst Anfang November hatte die Regierung in Islamabad entschieden, Indien den Status eines “bevorzugten Handelspartners” einzuräumen. “Aber natürlich kommen die Leute vor allem wegen unseres Handwerks”, glaubt Muzafer Ahmad. In einem Holzpavillon von der Größe einer Weihnachtsmarkbude präsentiert der Textilhändler aus der Krisenregion Kaschmir, Pullover, Schals und Tücher, die aus der berühmten Wolle der dort beheimateten Kaschmirziege gefertigt werden. “Auf dem Basar habe ich 10000 potentielle Kunden. Hier sind es an einem Tag zehnmal so viele.”
Jaswinder Talwar und seine Familie ziehen derweil weiter. Sie wollen noch sehen, was der Bundesstaat Bihar bei der IITF 2011 zu bieten hat. “Das Besondere an dieser Messe ist, dass man hier auf kleinem Raum die ganze Vielfältigkeit Indiens vermittelt bekommt.”
veröffentlicht am 22. November 2011 in der Frankfurter Rundschau.