Leipzig, 13.10.2011: Leipzig kämpft gegen Bevölkerungsschwund

Während indische Städte, wie Bangalore, mit den Problemen eines Wachstumsbooms kämpfen, macht Leipzig mit seinen 540,000 Einwohnern die gegenteilige Erfahrung einer bedrohlichen Krise, die sich in einer städteräumlichen und demografischen Schrumpfung ausdrückt. Tausende alter Wohnungen stehen leer, die Jugend wandert in Scharen ab (meist in andere westdeutsche Städte), was eine schnelle Alterung der Stadtbevölkerung zur Folge hat.
Die neuesten Statistiken zur Demografie Leipzigs, bereitgestellt vom Freistaat Sachsen (dem Bundesland, in dem Leipzig liegt), zeichnen ein düsteres Bild: das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 44 Jahren (2006: 43,9), die Zahl der Jugendligen in der Altersgruppe zwischen 15 und 18 Jahren ist auf 7694 gesunken (2006: 12940), die Zahl der Erwerbstätigen in der Altersgruppe von 15 bis 45 Jahren zeigt eine rückläufige Tendenz (von 104,904 im Jahr 2006 auf 104,400 im Jahr 2010) und die Zahl der älteren Menschen (über 65 Jahren) ist von 110,340 im Jahr 2006 auf 117,167 im Jahr 2010 gestiegen. Überraschender ist noch, dass die Sterberate über der Geburtenrate liegt. Während im Jahr 2010 5788 Menschen starben, wurden im gleichen Jahr nur rund 5414 Geburten verzeichnet.
So stellt sich die Situation dar, obwohl seitens des Bundes und Landes in den letzten 15 Jahren stattliche Summen investiert wurden, um der Stadt den dringend benötigten neuen Anstrich zu geben. Die Infrastruktur der Stadt wurde dem Niveau anderer deutscher Städte angeglichen. Leipzig verfügt über ein effizientes öffentliches Verkehrssystem mit S-Bahnen und Taxis sowie schicke Einkaufsgalerien und Boutiquen und auch zahlreiche Grünflächen.
Die ehemaligen Tagebaue im Umland der Stadt wurden stillgelegt und an ihrer Stelle attraktive Seen geschaffen, außerdem wurden Hunderte von Parks und Gärten angelegt, um die Lebensqualität in der Stadt zu steigern. Renommierte Unternehmen wie Porsche, BMW und Mercedes-Benz, DHL und Siemens wurden mit Erfolg angeworben, um am Standort Leipzig Niederlassungen zu eröffnen. Doch die gewünschten Ergebnisse bleiben aus und das Problem der Schrumpfung hält an.
Ähnliche Probleme bestehen in vielen der kleineren ostdeutschen Städte wie Dresden und Halle. Die westdeutschen Steuerzahler murren in letzter Zeit offenbar darüber, dass die Regierung enorme Summen in die Erneuerung ostdeutscher Städte steckt.
Die Stadtplaner sehen die Ursachen hierfür in der 40-jährigen kommunistischen Herrschaft (1949 bis 1989). Aufzeichnungen im Stadtarchiv zeigen, dass Leipzig in den 1920ern eine wachsende und blühende Stadt mit fast 700,000 Einwohnern war. Nach den beiden Weltkriegen geriet sie in den Griff des Kommunismus. Das damalige sozialistische Regime kümmerte sich weder um den Aufbau und die Modernisierung der Infrastruktur noch wurde den Besitzern von Privatgebäuden zugestanden, ihr Eigentum zu reparieren und instandzuhalten.
Uneingeschränkte Rechte
Das Regime hatte die Wohnungsmieten so niedrig angesetzt, dass die Besitzer es sich noch nicht einmal leisten konnten, Reparaturarbeiten durchzuführen, geschweige denn Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen. Außerdem besaßen sie keine uneingeschränkten Rechte an ihrem Eigentum. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung mit Westdeutschland war Leipzig wie auch andere ostdeutsche Städte in einem buchstäblich verfallenen Zustand. Und kurz nach dem Sturz des kommunistischen Regimes verloren etwa 10,000 Menschen durch den massiven Industrierückbau ihren Arbeitsplätze (die meisten Tagebaue wurden stillgelegt, da sie weitreichende Umweltschäden verursacht hatten) und wanderten allesamt in andere Städte ab, wie Karsten Gerkens, Leiter des Amts für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung in Leipzig, erklärte.
Dadurch ging die Bevölkerung der Stadt in den 1990ern von 580,000 auf 480,000 Einwohner zurück, was zu rund 60,000 Leerständen im Stadtkern führte. Seither wurden etliche Stadterneuerungsprogramme zur Umnutzung der alten Gebäude aufgelegt, darunter das „Wächterhäuser“-Projekt, das es Privatpersonen oder Unternehmen ermöglicht, Gebäude zu restaurieren und zu nutzen, ohne dem Eigentümer etwas dafür zu bezahlen.
Noch heute stehen von den 25,000 Wohnhäusern in der Stadt rund 16,000 leer und sind baufällig, und für Tausende von Wohnungen im bewohnbaren Zustand gibt es keine Interessenten. Die wenigen Projekte zur städtischen Raumentwicklung der letzten Jahre konzentrieren sich auf die Außenbezirke. In der Stadt besteht nur wenig Interesse an der Nutzung alter Gebäude, was im Stadtkern einen Schrumpfungsprozess zur Folge hat.
Die Stadtverwaltung hat im letzten Jahrzehnt 14,000 baufällige Bauten abgerissen und sich darum bemüht, die Grundstücke einer neuen Nutzung zuzuführen. „Wir konzentrieren uns aktuell auf rund 2500 alte, leerstehende Gebäude an den Hauptverkehrsstraßen. Sie schaden dem Ansehen der Stadt. Wir wenden uns an die Besitzer und legen ihnen nahe, die Gebäude zu renovieren. In jüngerer Zeit wird zunehmend von Auswärtigen in Immobilien in Leipzig investiert und wir hoffen, dass dieser Trend sich in der nächsten Zeit noch verstärkt“, so Gerkens.
Experten haben prognostiziert, dass die Bevölkerungszahl von derzeit 540,000 Einwohnern bis 2015 auf 450,000 sinken wird, wenn die aktuelle demografische Schrumpfung anhält. Die Stadtplaner sind besorgt und verfolgen die Entwicklung genau; sie hoffen aber, dass Leipzig trotz allem schon bald wieder an seine ruhmreiche Vergangenheit als aufstrebender Ballungsraum in Ostdeutschland anknüpfen wird.
ANMERKUNGEN DER LVZ-REDAKTION:
Diesem Artikel, der von unserem Gastjournalisten (nach eigener Recherche) im Deccan Herald publiziert wurde, liegen falsche Zahlen zugrunde.
Leipzig hat lt. Statistischem Quartalsbericht (veröffentlicht am 19.08.2011, Quelle: Stadt Leipzig, Stadtplanung) eine Einwohnerzahl von 523 815.
Die prognostizierte Einwohnerzahl für das Jahr 2015 beträgt rund
532 000.
Laut Monitoringbericht von 2010 wurden seit 2001 in Leipzig rund 13 000 Wohnungen mit Fördermitteln zurückgebaut, also abgerissen.
Laut Wohnungsmarktbericht 2010 betrug der Wohnungsleerstand 2009 in Leipzig rund 11 Prozent von knapp 316 000 Wohnungen.
Der Autor wurde informiert.
veröffentlicht am 13. Oktober 2011 im Deccan Herald.
Übersetzt von Angela Selter.