Hyderabad

Hyderabad, 13.3.2012: Der brennende Berg von Hyderabad

 © Philipp DudekVor den Toren Hyderabads brennt ein Berg. 50 Meter hoch, 10 Millionen Tonnen schwer. Dicke, graue Rauchschwaden ziehen ins Tal. Sie kriechen durch die Sozialbauviertel, die am Fuße des Berges gebaut worden sind und verseuchen die Luft in den alten Dörfern ringsherum.

1,5 Millionen Tonnen Müll pro Jahr: Das ist unvorstellbar viel. Im Vergleich mit Hamburg relativiert sich die Zahl allerdings schnell. Die Haushalte der Hansestadt produzieren jährlich rund 815.000 Tonnen Müll - etwa halb so viel wie die Haushalte Hyderabads. Doch in der indischen Mega-City leben vier Mal so viele Menschen wie in Hamburg.

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Sickerwasser aus der Müllkippe verseucht die Umwelt

Dass Hamburg trotzdem sauber und aufgeräumt wirkt und Hyderabad an vielen Stellen dreckig und staubig ist, liegt am System: Bis der Abfall in Hyderabad endlich die Müllkippe erreicht hat, hat er einen langen weg hinter sich. 20.000 Männer und Frauen mit insgesamt 970 Müllautos kämpfen in der Metropole täglich gegen den Abfall. Anders als in Hamburg wird der Müll nicht schon in den Haushalten getrennt, in kleinen Tonnen vor der Haustür entsorgt und dann direkt von der Stadtreinigung mit Müllautos abgeholt. In Hyderabad holen täglich rund 5000 Kleinunternehmer den Abfall mit Fahrrad-Dreirädern vor der Haustür ab. Sie arbeiten auf eigene Rechnung und werden direkt von den Haushalten bezahlt. Das Müll-Fahrrad bekommen sie von der Stadt gestellt. Umgerechnet bis zu 80 Cent erhält ein Müll-Rad-Fahrer pro Monat und Haushalt für seine Arbeit. Die Abfall-Kleinunternehmer trennen den Müll, verkaufen Papier, Plastik und Glas und bringen den Rest zu großen Abfallcontainern die überall in der Stadt aufgestellt sind. 3800 gibt es davon, 8000 wären nötig um die Straßen Hyderabads wirklich sauber zu halten. Doch jedes Mal wenn die Stadt einen neuen riesigen Sammel-Abfallcontainer aufstellen will, rebellieren die Anwohner. Keiner will die stinkenden Monster vor seiner Haustür haben. Die, die aufgestellt sind, quellen dafür über. An manchen Orten steht ein voller Sammelcontainer in einem kniehohen Abfallberg. Der Wind und streunende Hunde besorgen den Rest.

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Müllautos befördern Hyderabads Abfall auf die Spitze des Müllbergs. 4000 Tonnen täglich

Den rauchenden Müllberg vor den Toren Hyderabads hat mittlerweile eine private Firma von der Stadt übernommen. Der indische Konzern Ramky will die Gegend wieder zu einem Ausflugsziel machen – und natürlich kräftig am Abfall verdienen. „Das hier ist der Rohstoff der Zukunft“, sagt Ramky-Berater Christopher Stapelton. Der Australier ist seit drei Monaten in Hyderabad um die Verwandlung des brennenden Berges in eine moderne Abfallverwertungsanlage zu begleiten. „Dass der Berg brennt, zeigt, dass er voller Energie steckt“, sagt Stapelton. Ramky will nicht nur an den Rohstoffen im Abfall verdienen, sondern auch mit neuen Müllverbrennungsanlagen Strom für die Mega-City erzeugen. „Dadurch, dass die Menschen alles Wertvolle aus dem Müll holen, hat Indien schon jetzt eine der höchsten Recycling-Quoten der Welt“, sagt Stapelton und zeigt auf den riesigen Berg. „Was übrig bleibt ist zum großen Teil organisch.“ Doch selbst hier versuchen die Anwohner noch möglichst viel aus dem Abfall herauszuholen. Sie sind es, die den riesigen Berg immer wieder anzünden. In der Asche suchen sie vor allem nach Metallen. Eine lebensgefährliche Arbeit. In der vergangenen Woche rutschte ein Teil des riesigen Abfallberges ab. Drei Frauen starben unter der Mülllawine. Ihre Leichen wurden bis heute nicht gefunden.

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Ein Dorfbewohner steht in qualmender Asche und sucht nach Aluminium-Resten

Ramky hat mittlerweile begonnen das riesige Areal einzuzäunen. Der Konzern will keine Toten mehr – und keine Schatzsucher auf seinem Rohstoffberg. „Wir wollen, dass die Leute für uns arbeiten. Unter sicheren Bedingungen.“, sagt Stapelton. Trotz anfänglicher Konflikte, hat die Firma mittlerweile viele Anwohner eingestellt. Innerhalb eines halben Jahres hat Ramky eine Teerstraße auf den Gipfel des Berges, Müllsortieranlagen, Bürogebäude, Grünanlagen und eine Dorfschule bauen lassen. An weiteren Verbrennungs- und Sortieranlagen sowie an Generatorenhäusern wird gerade gebaut. „Wir wollen das hier zu einem modernen Vorzeigeprojekt für alle Entwicklungsländer machen“, sagt Stapelton. „Warum sollten die die gleichen Fehler machen, die die westlichen Länder mit ihrem Müll bereits gemacht haben.“ Den großen Müllberg will Ramky Stück für Stück begrünen, das Grundwasser mit moderner Technik säubern. „In fünf Jahren ist das hier wieder ein Ort, den man gerne besucht“, sagt Stapelton. Die Dorfbewohner am Fuße des Berges können das noch nicht so richtig glauben. „Sie haben die Straße und die Mauer gebaut, aber von der giftigen Luft werden wir immer noch krank“, sagt eine Frau und schüttelt den Kopf. Auf der anderen Seite der staubigen Dorfstraße steht ein Mann in qualmender Asche und sucht nach Aluminium-Resten.

Philipp Dudek
veröffentlicht am 13.März 2012 in der Hamburger Morgenpost.