Hyderabad

Hyderabad, 27.2.2012: Schatzsucher in Hyderabad

 © Chenna Reddy am Telefon, im Hintergrund: Schatzsucher © Foto: Philipp DudekSchatzsucher in Hyderabad gehen zur Schule. Zwei Tage lang haben sie mit Baggern Teile des Sportplatzes der Vidyaranya High School aufgerissen. Jetzt stehen sie mit elektronischen Messgeräten auf einem kleinen Hügel, auf dem der stadtbekannte Birla Tempel über der Schule thront, rammen Metallstäbe in die Erde und rufen sich laut Zahlen zu. Auch Reporter in Hyderabad gehen zur Schule. Den vierten Tag in Folge stehen sie auf dem kleinen Sportplatz am Fusse des Hügels und richten ihre Kameras auf die Schatzsucher. Nur Schüler sieht man zur Zeit nicht an der Schule. Sie haben frei - und das obwohl in wenigen Tagen die Abiturprüfungen anstehen. Zurzeit gehen andere Dinge vor. Juwelen und Edelsteine nämlich.

Während Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück will ein Maurer, auf dem Weg zur Pinkelpause, in den Büschen des Hügels einen Gang entdeckt haben. Am Ende des Ganges eine Tür und hinter der Tür Juwelen und Edelsteine. Das war bereits vor vier Jahren. Erst am vergangen Wochenende allerdings rollten die Bagger der Schatzsucher an. Der Maurer, den bisher kein Mensch zu Gesicht bekommen hat, soll nur einem freien Mitarbeiter einer Tageszeitung von seiner Geschichte erzählt haben. Der behielt die Juwelen-Story drei Jahre für sich und erzählte sie dann nicht etwa in einer Zeitung, sondern einem Bekannten, Sitarama Raju. Spätestens ab hier bekommt die Geschichte ein Geschmäckle. Raju ist Funktionär des indischen Kohle-Giganten "Coal India Limited". Stolz erzählt er der Presse, wie er sich Zutritt zum Schulgelände verschafft haben will: "Ich habe vorgegeben der Vater eines Schülers zu sein und bin aufs Gelände geschlichen. Es gibt da eine Beton-Tür etwa so dick", sagt er und hält dabei Daumen und Zeigefinger ungefähr zehn Zentimeter auseinander. "Nein", einen Schatz habe er nicht gesehen, sagt er. "Aber den Gang, den gibt es." Die Reporter grinsen. Richtig glauben will die Geschichte niemand.

Raju will die Betontür bereits vor einem Jahr entdeckt haben. Erst in der vergangenen Woche aber hat er dann den Leiter des Amtes für Museen und Archäologie, Prof. P Chenna Reddy, informiert. Der ließ die Bagger anrollen. Wo genau der Gang und die Tür und die Juwelen liegen, daran konnte sich nämlich plötzlich kein Mensch mehr erinnern. Also wurde zuerst der Sportplatz der Schule umgegraben - und kurze Zeit später Reddys Autorität auf dem Schatzsuch-Spielplatz untergraben. Sein Chef, Minister Vatti Vasant, sagte Anfang der Woche nach einem Besuch der Ausgrabungsstätte: "Ich glaube, hier hat keiner Ahnung davon, was eigentlich passieren soll. Ich habe den Beamten gesagt, dass sie mit Spezialinstrumenten arbeiten sollten, falls sie glauben, dass hier etwas unter der Erde liegt, anstatt überall wahllos zu graben."

Seitdem tummeln sich auf dem Schulgelände unzählige staatliche Behörden und vermessen mit Spezialgeräten den Untergrund. Irgendwo muss der Gang, der zum Schatz führt, schließlich stecken. Amtsleiter Reddy steht mächtig unter Druck. Das Verhältnis zu den den süffisant grinsenden Reportern ist angespannt. In den vergangenen Tagen sind mehrere Zeitungen dazu übergegangen von dem Schatz nur noch in Anführungszeichen zu schreiben. Nicht nur die Journalisten, sondern auch viele Anwohner, glauben dass es sich bei dem Schatz nämlich um etwas ganz anderes handelt: Um das wertvolle Schulgrundstück, auf dem die Schule nur stört. "Das sieht mir mehr nach einer Abbruchaktion aus, und nicht so als würden die hier nach etwas suchen, was von archäologischer Bedeutung wäre", sagte ein Denkmalschützer dem "Daily Pioneer".

Spätestens am Wochenende wollen die Behörden die Ergebnisse ihre Untersuchung vorstellen. "Die Daten deuten auf Anomalien hin", heißt es jetzt. "Klar. Anomalien. Aber nicht unter der Erde", sagen die Reporter und lachen.

Philipp Dudek
veröffentlicht am 27.Februar 2012 in der Hamburger Morgenpost.