Hyderabad, 29.2.2012: Kampf gegen den Verkehrsinfarkt

Zusammengerechnet mit den alten Ampel-Wracks, die in dieser Stadt stehen, würde die Mega-City dann rund 400 Ampeln haben. Ausgerüstet mit Solarzellen sollen die neue Verkehrssignale künftig auch während der zahlreichen Stromausfälle weiter funktionieren. „Dann gibt es definitiv keine Entschuldigung mehr über rot zu fahren”, sagt mir der Hauptkommissar der Verkehrspolizei, C.V. Anand, bei einer Tasse Tee in seinem Büro. „Wir können die Straßenverkehrsordnung somit besser durchsetzen.” Anand lächelt viel, spielt Cricket und Tennis und ist auch sonst ein irgendwie netter Typ. Wahrscheinlich wickelt er mit dieser Masche schon seit Jahren die penetrante Pressemeute um den Finger.
Ich schaue ihm wohl trotzdem etwas zu skeptisch: Nur 220 Ampeln für fast acht Millionen Einwohner mit 2,1 Millionen Fahrzeugen (fast 1,8 Millionen sind davon Motorroller und Motorräder). Wie soll da irgendwer irgendwelche Regeln durchsetzen? In Hamburg sind derzeit rund 1700 Ampeln in Betrieb – für 1,7 Millionen Einwohner und 840.000 Fahrzeuge. 2010 (das sind die aktuellsten Zahlen) starben auf Hamburgs Straßen 22 Menschen. In Hyderabad waren es im selben Jahr 490 Tote (441 in 2011). Warum also nicht mehr Verkehrssignale um das Chaos auf Hyderabads Straßen zu bändigen? „Wenn wir mehr Ampeln bauen würden, würde es zu noch mehr Staus kommen“, sagt Anand und lächelt sein Gewinner-Lächeln. Mich hat dieser Typ schon längst in die Tasche gesteckt. Allerdings muss ich mich ja auch nicht mit ihm streiten.
Für Anand ist die Ampel-Nummer eine Abwägung zwischen mehr Sicherheit und dem totalen Verkehrsinfarkt: Egal wie viel Fahrzeuge auf Hyderabads Straßen unterwegs sind: Der Verkehr fließt -mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 17 km/h in der Hauptverkehrszeit. An Kreuzungen ohne Ampel wird nicht gestoppt. Es wird gefahren. Von 3000 Verkehrspolizisten sind 1500 zu jeder Zeit auf der Straße. Sie versuchen, den steten Fluss nicht versiegen zu lassen. Notfalls wird die Ampel eben manuell abgeschaltet und die Autos werden so über die Kreuzung gewunken. Die Priorität ist klar: Bloß kein Stau. Auch bei den neuen Ampeln werden Verkehrspolizisten vor Ort und in der Zentrale die Möglichkeit haben, manuell von Rot auf Grün zu schalten.
Natürlich haben Fußgänger bei diesem Verkehrskonzept das Nachsehen. Allein im Januar starben 17 Fußgänger auf Hyderabads Straßen. Und ihre Situation wird sich in den kommenden Jahren nicht verbessern. Im Gegenteil. „Jeden Tag werden in Hyderabad rund 1000 Fahrzeuge zugelassen und etwa 500 Führerscheine ausgestellt“, sagt G. Panduranga Rao Jt. Comissioner& Secretray der hiesigen Transportbehörde. Seit 2001 habe sich die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge in der Stadt verdoppelt. „Ein Ende ist nicht abzusehen“, sagt Rao. Hauptkommissar Anand wird die nächsten Jahre viel zu tun haben.
veröffentlicht am 29.Februar 2012 in der Hamburger Morgenpost.