Hamburg

Hamburg, 14.4.2012: Mein Gott, seid ihr freundlich

 © © COLOURBOX.COMNach zwei Wochen in der schönen Stadt Hamburg ist es an der Zeit, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen. Dass die Deutschen überhaupt nicht freundlich seien, zum Beispiel. Dass die Deutschen mit der Präzision eines Uhrwerks arbeiten. Oder dass die Deutschen zu nichts außer zum Arbeiten Zeit hätten. Alles falsch.

In dieser Stadt ist mir bisher, wo ich auch hinkam, nichts als Freundlichkeit begegnet. Ob in den U- und S-Bahnen oder Bussen der Stadt, in Bäckereien an den Hauptverkehrsstraßen oder in kleinen Cafés an gepflasterten Seitengassen – die Hamburger tun stets alles, um mir als Gast das Gefühl zu geben, hier willkommen zu sein. Sie sprechen sofort Englisch mit mir, sie laden mich ein, sie helfen mir, mich zurechtzufinden.

Dass es in Hamburg noch mehr gibt als Job und Arbeit, habe ich auch sehr schnell erfahren. Nach Feierabend wird sich in Cafés, Bars und Restaurants getroffen und stundenlang gequatscht. Die Hamburger sind dabei ganz schön hartnäckig. Gestern zum Beispiel saßen wir drei Stunden in einem Lokal. Vorspeise, Hauptspeise, Dessert. Der freundliche Kellner hat uns immer wieder gefragt, ob alles recht sei, ob wir noch etwas bräuchten. In meiner Heimatstadt Hyderabad hätte uns der Kellner nach spätestens einer Stunde verständlich gemacht, dass wir den Platz zu räumen haben: für die Horde wartender Gäste, die uns von der Bar aus unfreundliche Blicke zugeworfen hätte.

Und was das Uhrwerk angeht: Die Uhr in meinem Hotel und die an der Straße davor liefen auch vier Tage nach der Zeitumstellung noch auf Winterzeit. Das Vorurteil mit der Präzision trifft also auch nicht zu.

Natraj Suryanarayana
veröffentlicht am 14. April 2012 in der Hamburger Morgenpost.