Bangalore, 24.4.2012: Schlange stehen nach einem Deutschkurs

Rajwardhan, der 25-jährige Computerfachmann, stammt aus Bihar, hat dort für die Verwaltung gearbeitet. Nun will er in Deutschland seinen Master machen. In den nächsten Wochen wird er sich in Frankfurt, Rostock, Wuppertal bewerben, dafür muss er Deutschkenntnisse nachweisen. Die will er sich in einem Crashkurs aneignen.
Für Inder, die Deutsch lernen wollen, ist das Goethe-Institut Dreh- und Angelpunkt. Es ist nach dem deutschen Indologen Max Müller benannt. Kurse gibt es jeden Tag: vormittags und nachmittags, sonnabends und sonntags, Intensivkurse und Superintensivkurse, Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene, für Kinder und Erwachsene und sogar für Deutschlehrer. Hätte das Institut 24 Stunden am Tag geöffnet, würden wahrscheinlich auch nachts die Leute kommen. 23 Deutschlehrer arbeiten hier, die meisten sind Inder.
Ein Dreieinhalb-Monate -Kurs ist nicht billig, er kostet inklusive Büchern, Bibliotheksnutzung und Prüfungsgebühr 16.000 Rupien, rund 270 Euro. Aber die Deutsch-Anwärter geben dieses Geld gern aus: sei es, um einen guten Job zu bekommen, um im Job aufzusteigen oder einfach nur als Hobby. Viele träumen natürlich auch davon, mal nach Deutschland zu reisen. 1800 Leute lernten 2011 bei „Max Müller“ in Bangalore Deutsch, die meisten zwischen 20 und 30 Jahre jung. Anfängerkurse sind am stärksten gefragt, mehr als die Hälfte der Teilnehmer macht danach aber weiter. „Oft brauchen sie das Zeugnis auch für ein Visum. Wenn der Ehemann einen Job in Deutschland bekommt, benötigt die Ehefrau mindestens den Abschluss des ersten Levels“, erklärt Kursplaner und Deutschlehrer Deepak Paranjape. Die Inder sind generell sprachenfreudig, nicht wenige sprechen fünf oder sechs Fremdsprachen. Wobei Englisch nicht als Fremdsprache zählt – Englisch ist offizielle Verwaltungssprache, weil sich die Einheimischen mit ihren vielen Landessprachen sonst untereinander nicht verstehen würden.
In der oberen Etage des Instituts bereitet sich gerade eine Fortgeschrittenen-Klasse auf ihre Prüfungen vor. Dialog-Übungen sind angesagt. Schon ganz flüssig geht das bei Gauri Kalpoor. Die 34-Jährige arbeitet bei der Lufthansa in der Flug-Planung und möchte gern Chefin werden. Shweta Singh (25) und Nimisha Vibin (29) reden darüber, was sie in ihrer Freizeit machen, wofür sie ihr Geld ausgeben, welche Sportarten sie mögen und was sie gerne kochen. Die beiden Frauen sitzen täglich vier Stunden in der Deutsch-Klasse, sie wollen später mal als Übersetzerinnen arbeiten.
Ein paar Zimmer weiter geht es laut und lustig zu. Elf- bis 14-jährige Mädchen und Jungen verbringen ihre Ferien mit einem Deutschkurs und ordnen gerade jedem Buchstaben des deutschen Alphabets eine Speise oder ein Getränk zu, von A wie Apfel über N wie Nuss bis V wie Vanilleeis.
Aber nicht nur direkt vor Ort im Goethe-Institut wird Deutsch gelernt. Die Einrichtung unterstützt auch den Deutschunterricht an Schulen: zum einen im Projekt „PASCH“ („Partnerschulen“); derzeit gibt es drei offizielle Partnerschulen in Bangalore. Zum anderen im Programm „Deutsch in 1000 Schulen“. Dieses wurde speziell für Kinder von Beamten ins Leben gerufen, die an Schulen lernen, die finanziell nicht sehr gut ausgestattet sind.
veröffentlicht am 24. April 2012 in der Leipziger Volkszeitung.