Leipzig, 25.9.2010: Bürger der Bücherstadt

Leipzig wird Bücherstadt genannt. Als jemand, der viel mit Buchstaben zu tun hat, freute ich mich über einen Besuch in einer 600 Jahre alten Bibliothek, welche als ein Wahrzeichen der Stadt gilt. Der thailändische Student Jirayuth Chanthanaphan, der an der Universität Leipzig im Bereich International Business promoviert, lud mich zu einer Tour zu den verschiedenen Bibliotheken in der Stadt ein.
Da ich bevorzuge, erst spät ins Bett zu gehen, gefällt mir die Bibliothek der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sehr. Schließlich hat sie rund um die Uhr geöffnet. Schade nur, dass meine Recherche am PC ergeben hat, dass die Bibliothek über kein einziges Buch in thailändischer Sprache verfügt, das ich hätte ausleihen können. Jirayuth tröstete mich und führte mich zur Universitätsbibliothek Leipzig, der Bibliotheca Albertina. Das Bibliotheksgebäude beeindruckte mich derart, dass ich nach dem Besuch nachlesen wollte, wer es gebaut hat, und fand heraus, dass der Architekt Arwed Roßbach hieß, ein Verehrer der italienischen Neorenaissance.
Die altehrwürdige Bibliotheca Albertina ist im Besitz von mehr als fünf Millionen Bänden, die in 7700 Abteilungen eingeordnet sind. Ich bat Jirayuth, dass er bei den Bibliothekaren für mich fragen soll, ob unter den über fünf Millionen Bänden auch thailändische Bücher sind. Die Bibliothekare erklärten uns, dass man diese Frage erst beantworten kann, wenn man entweder Buchtitel oder Autorennamen weiß. Jirayuth und ich überlegten uns einige thailändische Schriftsteller, die unserer Ansicht nach bekannt genug sein dürften. Leider gehören ihre Bücher nicht zum Bestand der Bibliotheca Albertina. Schließlich schlugen wir gemeinsam das Stichwort „Thai Wörterbuch“ vor.
Die Bibliothekare waren sehr kooperativ und fanden am Ende heraus, dass die Bibliothek im Besitz eines thailändischen Wörterbuchs ist. Jirayuth und ich strahlten, als wir diese Auskunft erhielten. Leider befindet sich das Wörterbuch jedoch in einer anderen Teilbibliothek. Auch wenn wir ein wenig enttäuscht waren, spazierten wir doch recht vergnügt durch die Stockwerke der Bibliotheca Albertina. Viele Studenten waren mit sehr alten dicken Lehrbüchern beschäftigt. Mir ging durch den Kopf, dass Leipzig viele Bücher hatte besitzen müssen, um eine so große Bibliothek gründen zu können. Und das schon im Jahr 1543, also während der so genannten Ayutthaya- Periode, eines früheren Königreichs der Thais. Zu der Zeit war die thailändische Schrift noch nicht lange erfunden worden. Und „Bangkok Recorder“, das erste Druckerzeugnis in Thailand, wurde erst 1848 veröffentlicht.
veröffentlicht am 25. September 2010 in der Leipziger Volkszeitung.
Aus dem Thailändischen übersetzt von Dr. Chalit Durongphan.