Leipzig

Leipzig, 15.9.2010: Erinnerungsfotos ohne Tiefgang

 © Eines der drei LVZ-Patentiere: Schneeleopardin Lavani, Vania oder Zima © Zoo LeipzigLavani, Vania und Zima starrten mich an. Vier Monate alt waren sie, süß und quicklebendig. Trotzdem verbarg sich hinter ihren schwarzen Augen etwas Geheimnisvolles …

Liebe Leserinnen und Leser, Sie fragen sich jetzt bestimmt, von wem hier die Rede ist. Es handelt sich um die Namen der drei neugeborenenen Schneeleoparden im Zoo. Ihre offizielle Taufe fand vor wenigen Tagen statt. Leipziger Schulkinder und Touristen stehen neugierig vor dem Käfig der Schneeleoparden. Ihnen ist eine kleine Enttäuschung anzumerken, da die Jungtiere sich kaum zeigen. Nach einigen Minuten des Wartens streckt eine kleine, trotzig aussehende Schneeleopardin ihr Köpfchen heraus. Aber nachdem sie die mehr als 50, ihr gegenüber frontal herumstehende Exemplare der Gattung Mensch – alle mit einem kleinen, dunklen Gegenstand bewaffnet – erblickt hat, entscheidet sich das Jungtier, in seinen Käfig zurück zu rennen … Enttäuschtes Seufzen geht durch die Menschenmenge. Nach einer weiteren Weile kann sich die gleiche neugeborene Schneeleopardin ihrer Neugier nicht länger erwehren. Sie springt aus ihrem Käfig heraus und dreht einige Runden im Gehege, bevor sie abrupt einen erneuten Rückzug antritt. Das sorgt für eine helle Aufregung unter den Schulkindern.

Kerstin, meine nette LVZ-Kollegin, erzählte mir, dass Menschen in Deutschland, vor allem in Leipzig, Tiere lieben. Sie wollen diesen Zoo unterstützen. Viele haben Lieblingstiere, die sie gern und oft besuchen. Aus diesem Grunde hat der Zoo-Förderkreis das Projekt „Tierpatenschaften“ initiiert, an dem sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen teilnehmen könnten. Rund 1000 Tierpaten spenden einen jährlichen Betrag, der von der Größe und Bedeutung ihres Lieblings abhängig ist. So wie eben auch die Leipziger Volkszeitung für die drei Schneeleoparden. Das Geld kommt aber nicht nur diesem Tier zugute, sondern den aktuellen Projekten des Zoos.

Eine Superidee! Darüber will ich in Thailand berichten. Schließlich sind derartige Sozialprojekte unter großen Unternehmen in Thailand gerade Mode. Zu den beliebteste Formen dieser sogenannten Corporate Social Responsibility gehören Projekte wie Umwelt und Tierschutz, Erderwärmungsbekämpfung oder Hilfsmaßnahmen für Kinder in Not. Aber noch nie habe ich von einem Tiergarten-Projekt gehört.

Hmm … so stark ist also die Tierliebe unter den Menschen in Deutschland, dachte ich mir als ich einen älteren Zoobesucher fotografierte, der beim Filmen der Jungtiere vor Staunen den Mund nicht zukriegte. Ich fragte mich, ob dieser Mann genauso staunen und so breit lächeln würde, falls er die historischen Sehenswürdigkeiten wie Thomaskirche, das Alte Rathaus und die vielen Museen, auf die die Leipziger stolz sind, besuchen würde.

Heute gibt es weltweit 1500 Zoos, fünf davon in Thailand, den berühmtesten in Chiang Mai. Dort wurde mit einer Investition in Höhe von einer Million Euro ein voll klimatisiertes Luxusgehege für ein neugeborenes Pandaweibchen namens Lin Ping gebaut. Jedoch ist dies im Vergleich zu den Renovierungskosten des Leipziger Zoos – schätzungsweise rund 90 Millionen Euro – nur eine Kleinigkeit.

Während ich durch den Zoo flanierte und mir die dort lebenden Tiere ansah, fühlte ich mich leicht und wohl. Mein Körper entspannte sich merklich und ich konnte tief und frei atmen, als wäre ich in einem großen Park spazieren gegangen. Es fühlte sich in diesem Zoo ganz anders als in den mir bislang bekannten Zoos, die meist kaum große Bäume besaßen und unaufhörlich stark und geradezu unangenehm nach Tieren rochen. Ich bewunderte, wie liebevoll der Zoo Leipzig gestaltet ist. Alles passt sich an die Natur an. Sogar solche Kleinigkeiten, die kaum jemand beachtet, wie Brücken aus Holz und Schnüre oder Sitzbänke in jenem Braun, das an die Farbe der umstehenden Bäume angeglichen ist. Interessant fand ich auch, dass das Zoopersonal blattgrüne Uniform trägt. Eine spezielle Farbe, die nicht in den normalen Geschäften zu finden sein dürfte.

Als ich das Hinweisschild „Elefant“ sah, machte ich große Augen. Ich fragte mich, wie viele von den Besuchern wissen, wo die Elefanten herkommen. Deshalb beschloss ich, eine Weile dort zu bleiben und zu beobachten. Eine Frau fragt ihren Mann, der neben ihr steht und ein Kind an der Hand hält, „Woher sind denn die Elefanten?“ Der Mann gibt eine knappe Antwort, „Wahrscheinlich Vietnam.“ Die Frau hat eine andere Vermutung, „Oder Indien?“ Ich bin gespannt, ob diese Familie die Informationstafel liest. Liebe Leserinnen und Leser, Sie haben richtig geraten! Die Eltern gehen mit ihrem Kind, ohne Interesse zu zeigen, aus welchen Wäldern diese größten noch lebenden Landtiere, welche bis zu vier Tonnen wiegen, so viel wie zwei PKWs, über die Meere nach Leipzig gekommen sind.

Es dürfte Tierschützer schmerzen, wenn sie zusehen müssten, dass Informationen über Tiere in Zoos die wenigsten Besucher interessieren. Viele halten das Lesen von Tafeln für überflüssig und fragen – wenn überhaupt – lieber ihre Freunde. Manche wissen nicht einmal, wie das süße, sonderbare Lebewesen, mit dem sie Dutzende von Erinnerungsfotos machen ließen, eigentlich heißt.

Punnee Amornviputpanich
veröffentlicht am 15. September 2010 in der Leipziger Volkszeitung.

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