Jakarta

Jakarta, 8.12.2010: Paradies der Tramper

 © In Jakarta werden Menschen dafür bezahlt, dass sie mitfahren.

Ibu Hati hat Glück am Morgen. Innerhalb von drei Stunden verdient sie 45 000 Rupien, das sind rund vier Euro. Denn die 50-Jährige Mutter von zwei Kindern hat einen Job, der in Indonesiens Hauptstadt Jakarta rasenden Zulauf findet. Sie ist professionelle Tramperin. Oder anders ausgedrückt: Sie bekommt Geld fürs Mitfahren.

Denn auf den großen drei- und vierspurigen Straßen im Zentrum von Jakarta sind während der Rushhour nur Autos erlaubt, die mindestens drei Menschen mitführen, „3 in 1“ heißt diese Regel. Das ist das Geschäft der Tramper, die sich Jockeys nennen. Sie steigen zu, damit die Fahrer überhaupt fahren dürfen, und bekommen etwa einen Euro für eine Viertelstunde. Am leichtesten werden Mütter mit Babys mitgenommen, weil sie als ungefährlich gelten und gleich zwei Mitfahrer in einem sind. Einige Autofahrer haben sich auch Stammjockeys zugelegt, die sie von Montag bis Freitag jeden Tag mitnehmen. „Es ist ja auch immer ein Risiko dabei“, sagt Budi Santono (32), ein Bankangestellter, der in der Innenstadt arbeitet. „Ich will jedenfalls nicht jeden Tag einen Fremden in mein Auto steigen lassen.“ Er hat schon von Fahrern gehört, die überfallen wurden. „Aber mir bleibt ja keine Wahl, wenn ich pünktlich zur Arbeit fahren will.“

Das Jockeyleben ist inzwischen ein Lebensstil geworden, sagt der 21-jährige Ecak. „Es ist sehr spannend, weil ich nie weiß, in welches Auto ich heute einsteigen werde.“ Er werde vor allem von jungen Frauen mitgenommen. Aber er steige auch nicht in jedes Auto ein, manchmal seien die Fahrer sehr seltsam und wollen einen mit nach Hause nehmen. „Dann steige ich immer sofort aus.“ Richtig gefährlich sei es aber nur, wenn die Polizei auftauche. Viele Jockeys haben schon Wochen im Gefängnis verbracht oder mussten in Regierungsgebäuden Toiletten putzen. Doch bald stehen sie wieder am Straßenrand.

Sören Kittel
veröffentlicht am 8. Dezember 2010 in DIE WELT.

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