Hanoi, 15.1.2011: Delikatessen: Schlangen und eingelegte Küken

„Vietnamesen essen alles – außer Tische und Stühle, weil die so schlecht zu verdauen sind.“ Als ich Hung, meinem Kollegen von der vietnamesischen Zeitung Tienphong Daily, bei seinem Besuch in Deutschland mit dieser Aussage konfrontierte, lachte er – und nickte. Lektüre über gekochten Hund, Spinne und Schlangenherz, die in meinem Reiseführer als vietnamesische Delikatessen angepriesen wurden, alarmierten mich. Kurz vor meiner Abreise nach Hanoi überlegte ich, mich als Vegetarierin auszugeben...
Die Wahrheit, wie ich sie bislang erlebt habe, ist natürlich eine etwas andere: Ja, Vietnamesen essen Schlangen, Hunde und sogar Küken, die eine Nacht in Coladosen eingelegt werden. Aber als eigenständiger Mensch kann man ja durchaus sagen, wenn man etwas nicht mag. Und wie klingt es für andere wohl, wenn sie hören, dass wir Wurst aus Tier-Därmen essen?
Essen spielt in Vietnam eine zentrale Rolle. Jede Mahlzeit – auch das Frühstück mit „pho“, der dampfenden Nudelsuppe – ist eine warme. Die Speisen sind pikant, spannend. Und sich von einer kichernden Kellnerin erklären zu lassen, wie ich Reispapier, Fleischröllchen, Salat zu einer leckeren Rolle (mit Stäbchen!) zusammenkriege, hat auch etwas Verbindendes. Essen ist hier ein Ereignis, das auf der Straße zelebriert wird – weil Gemeinschaft so wichtig ist: Die Vietnamesen hocken auf winzigen Plastikhockern, essen aus dampfenden Töpfen, über deren Sauberkeit man besser nicht nachdenkt... Nach ein paar Tagen Hanoi wagte ich mich in eine solche Garküche. Alles schmeckte prima: Klößchen, Reis, Gemüse, sogar Schnecke habe ich probiert (wenngleich zum letzten Mal). Der Mut wurde nicht belohnt: Lebensmittelvergiftung. Auch eine Art von Souvenir.
veröffentlicht am 15. Januar 2011 in der Westfälischen Rundschau.