Dortmund

Dortmund, 28.10.2010: Ein Fremder und die große Liebe der Dortmunder

 © Hung Nguyen Viet im Signal Iduna Park © Foto: privatAm Sonntag scheine ich der einzige Mensch im Signal Iduna Park zu sein, der nicht als Fan des BVB oder von Hoffenheim identifizierbar ist. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich ein Bundesliga-Spiel in der Stadt, die berühmt ist für ihren Fußball.

Der Signal Iduna Park – doppelt so groß wie das My Dinh National Stadion in Hanoi – ist mit 80 270 Menschen proppenvoll, die überwiegende Menge leuchtet schwarz-gelb. Nur ein kleiner Teil mit weniger als 1000 Plätzen im Nordosten des Stadions strahlt Grün. Ich bin extrem überrascht von der beeindruckenden Szenerie: Die enthusiastischsten BVB-Fans sind die 20 000 auf der Südtribüne, ausgestattet mit unzähligen Schals und Fahnen. Der Signal Iduna Park ist nichts für Ängstliche – ich fühle den Druck der Fans, die wie ein zwölfter Spieler auftreten. Reporter scheinen gern gesehen im Stadion: Ich sitze auf einer der besten Positionen in Block 48 bei den Journalisten, deren Arbeitsplätze voll ausgestattet sind mit Tischen und Internetzugang. Bei der Pressekonferenz gibt es Getränke, Snacks, Informationen zum Team und Statistiken, mit denen die Reporter prompt versorgt werden.

Zwischenzeitliche Melancholie

In der neunten Minute macht Demba Ba leichtherzig ein Tor und bringt 1899 Hoffenheim mit 1:0 in Führung. Die komplette schwarz-gelbe Wand ist wie betäubt. Nur der winzige grüne Teil im Stadion ist erwacht und jubelt. Im Anschluss verpasst der BVB viele Torchancen, vor allem mit dem verschossenen Elfmeter in der ersten Halbzeit. Mein Gegenüber, ein langjähriger Beobachter des BVB, sagt melancholisch: „Heute sind sie gar nicht so forsch wie sonst. Vielleicht haben die vielen internationalen Spiele die Mannschaft geschwächt ...“

Völlig unerwartet, in der letzten Minute des Spiels, geschieht etwas Magisches: Antonia da Silva vom BVB schießt ein Tor. Der gesamte Signal Iduna Park wirkt wie vom Glück überwältigt, fast 80 000 Menschen stehen auf wie ein Mann und jubeln so laut, dass ihnen ihr Herz aus dem Brustkorb zu springen droht. Nur die kleine grüne Fan-Ansammlung ist ganz still inmitten des gelb-schwarzen Ozeans. Ein Dortmunder Journalist springt auf, umarmt seine Frau, gibt mir die Hand ... Im Handstreich verteidigte der BVB zumindest kurzfristig die Tabellenführung.

Friedliches Ende

Als das Spiel vorbei ist, bin ich überrascht, wie schnell die 80 000 Menschen das Stadion verlassen. Auf den Straßen ist es ruhig, es gibt keinen Stau. Als ich am Hauptbahnhof ankomme, sehe ich Fans neben Polizisten, ganz ohne Auseinandersetzung. Die Fans trinken nur ein Bier, jubeln freundlich. Trotzdem ist es das erste Mal, dass ich so viele Polizisten im Bahnhof sehe.

Nachdem ich Zeuge dieses dramatischen Spiels geworden bin, kann ich verstehen, dass der BVB der Stolz der Dortmunder ist.

Viet Hung Nguyen
veröffentlicht am 28. Oktober 2010 in der Westfälischen Rundschau.

Aus dem Vietnamesischen übersetzt von Cao Quang Nghiep.

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