Tamale, 4.12.09: Auf den abrupten Temperatursturz folgt der lange Online-Rausch

Nach meinen drei Wochen als Gastjournalistin beim Daily Graphic, sind Zakaria Alhassan und ich zusammen von Tamale in Nordghana nach Freiburg gereist. Temperatur bei der Abreise: 37 Grad. Gemeinsam haben wir dann aber schon in der Abflughalle in Accra-Airport gefroren: Wo irgendmöglich werden in Ghana auch unsinnig große Räume per Klimaanlage tiefgefroren. Im Flugzeug bleiben die Temperaturen dagegen geradezu moderat. Ich denke beim Fliegen an Klimabilanzen und gräme mich pflichtschuldig, liebe aber allen Klimabilanzen zum Trotz ganz unbändig das Reisen durch die Luft,das für mich immer noch den kindischen Zauber vom wundersamen Gleiten auf einem fliegenden Teppich hat. Bei Zak scheinen die Dinge anders zu liegen. Er bibbert bis zur Landung. Angst? „No!“ protestiert er tapfer. Die sieben, acht Grad zur Begrüßung in Frankfurt sind echt. Unser Gefröstel ist es auch. Der fieselige Regen, die Müdigkeit nach dem Nachtflug – wir waren mit Sicherheit beide schon prickelnder drauf.
In Freiburg stattet das Goethe-Institut den Austausch-Journalisten aus Tamale gleich schon mit einem Stadtplan aus. Um den habe ich während meiner drei Wochen in Tamale vergeblich gebeten. „Wir kümmern uns drum“, hieß es vom ersten Tag an. Mittlerweile weiß ich, dass es von der labyrinthischen Stadt kaum mehr als eine Skizze gibt, die handtellergroß in manchen Reiseführern abgedruckt ist. Gleich mit einem perfekten Stadtplan an den Start zu gehen, ist für meinen ghanaischen Kollegen allerdings kaum ein Standortvorteil: Pläne- oder Kartenlesen ist in Ghana so unüblich, dass Zak vermutlich nicht mal in größter Verzweiflung versuchen würde, sich mittels der akkuraten Abstraktion auf dem Papier zu orientieren. Er orientiert sich an „landmarks“, an markanten Bauwerken, beispielsweise.
Einen unschätzbaren Standortvorteil macht der ghanaische Journalist im übrigen schon kurz nach der Ankunft in seinem Boardinghouse-Appartement aus: Dort nämlich hat Zak dank Wlan 24 Stunden am Tag Zugang zum Internet. Er surft denn auch wie im Rausch. Das wäre in Tamale selbst an guten Tagen nicht im Traum denkbar. Stromausfall und Netzunterbrechungwechseln sich dort mit erstaunlicher Beständigkeit ab. E-Mails checken und beantworten, gar noch Texte anhängen oder winzige Bilder? Oft braucht das mehrere Anläufe, nie geht’s schnell. Und manchmal muss ich sogar nur um einen einzigen Artikel von mir an den Daily Graphic oder die BZ zu mailen vom benachbarten Internetcafé die vier Kilometer in die Stadt raufradeln, um dort festzustellen, dass auch die Redaktion „disconnected“ ist. Also geht’s nochmal hin und her zwischen Daily Graphic-Büro und Internetcafé, schweißgebadet und staubbepudert. Obwohl die vielen von mir geschriebenen Artikel im Auftrag des Goethe-Instituts dann wunderbar und in Windeseile von Faith Gibson-Tegethoff übersetzt wurden, sind sie bislang nicht im Daily Graphic erschienen. „Die kommen alle noch“, erklärt Kollege Zak, der das enorme Angebot an Austauschprogrammen als Grund für geringes Interesse an einem echten Miteinander nennt.Von nun an soll die „Nahaufnahme“ dann aber schlussendlich doch auch mit meinen Texten im Daily Graphic stattfinden – während also Zakaria Alhassan die BZ um die afrikanische Perspektive bereichert, wird der Austausch praktisch zeitgleich auch in Accra und Tamale sichtbar. Für die Badische Zeitung will Zakaria Alhassan vor allem über das Leben der Ghanaer in Freiburg berichten, den praktizierenden Moslem interessiert außerdem das Leben islamischer Menschen in Freiburg. Und nachdem ich mir einenMonat lang mit den „Mails aus Tamale“ habe über die Schulter schauen lassen, wird Zak nun den Staffelstab übernehmen und seine Freiburger Erfahrungen in der BZ schildern – den Bericht über einen Bummel über den Weihnachtsmarkt hat er schon versprochen.
veröffentlicht am 4. Dezember 2009 in der Badischen Zeitung.