Tamale

Tamale, 14.11.09: "The Kibbutz Bar" - kultig mitten im muslimischen Norden Ghanas

 © Die Kibbutz Bar in Tamale © Foto: Julia LittmannJulia Littmann hat in Tamale vieles erwartet - aber keine Bar mit einem israelischen Namen oder die "Jesus-hat-sich-nie-geirrt-Boutique".

Wenn sich am Sonntag die eifrigen Kirchgänger unter den etwa 15 Prozent Christen in Tamale auf den Weg zum Gottesdienst machen, könnte man glatt vergessen, dass die Hauptstadt der Northern Region eine weitgehend muslimische Stadt ist: So viele pilgern eifrig in die Kirchen, dass sich dagegen vermutlich die Besucherzahlen von regulären Sonntagsgottesdiensten in Deutschland ziemlich mickrig ausnehmen. Und doch prägen neben den ansehnlichen Kirchen hier in Tamale vor allem zwei prächtige Moscheen und etwa 500 manchmal nur garagengroßen Moschee-Anbauten an kleine Privathäuser das religiöse Gesicht dieser Stadt.

Und diese Stadt schmückt sich bei aller Bescheidenheit auch gerne mit ihrer Toleranz. Keine Frage - genau die nimmt man ihr auch ohne weiteres ab. Fanatismus scheint hier jedenfalls vor allem ein aufgebrachter Aggregatzustand für die schönen Nebensachen im Leben zu sein, allen voran für den Fußball, versteht sich. Ansonsten herrscht hier Gelassenheit in einem Ausmaß, das die respektvoll beobachtende Besucherin in diesem Land so kaum erwartet hatte. Etwa wenn die kultige Bar im gut besuchten In-Lokal "Giddipass" ausgerechnet "The Kibbutz Bar" heißt.

Wie das kommt, weiß keiner meiner Kollegen, von denen allerdings auch niemand weiß, was es mit diesen Kibbutzim eigentlich auf sich hat. Zufälligerweise muss ich gar nicht lange rätseln, wie ausgerechnet das Wort für die israelischen mehr oder weniger sozialistisch organisierten Landwirtschaftsiedlungen hier in einer muslimischen Stadt nun als Leuchtschrift über einer angesagten Bar prangen kann. Die Besitzerin begegnet mir nämlich auf einem Pressetermin in ganz anderem Kontext, hinreißend freundlich und elegant - und erklärt entspannt: "Mein Sohn war in Israel, um dort an Kursen teilzunehmen - als er zurückkam, suchten wir gerade einen extra Namen für die Bar und sein Vorschlag ,Kibbutz Bar' gefiel uns einfach gut." Dass die Kibbutz-Idee mit Zusammenhalt und mit Teilen zu tun hat, lässt sie sich mit großem Interesse erklären: "Gut, das jetzt auch zu wissen, das ist ein sympathisches Konzept, das da hinter einem so wohlklingenden Wort steckt!"

Ähnlich unerwartet wie eine Kibbutz Bar in einer muslimischen Stadt ins Auge fällt, kommt zum Beispiel auch die Schrift in Großbuchstaben über einem kleinen Kiosk mit einem kuriosen Sammelsurium von Kleidung daher. "JESUS NEVER FAILS BOUTIQUE" heißt der zwei Quadratmeter große Modeladen: Die "Jesus-hat-sich-nie-geirrt-Boutique" steht an der Straße nach Bolgatanga, zwischen Handy-kartenstand und Grüne- Bananen Verkäuferin. Die Idee, dass eine doch relativ deutlich christliche Überschrift über einem Mini- Unternehmen hier unangenehm auffallen könnte, kommt keinem. Oft leben Christen und Muslims in einer Familie, der Ramadan wird dann von allen Familienmitgliedern genauso begangen wie Wochen später alle gemeinsam Weihnachten feiern. "Anders wäre es doch unsinnig", sagt Zak," die Toleranz ist ja für alle ein Gewinn!"

Julia Littmann
veröffentlicht am 14. November 2009 in der Badischen Zeitung.