Nairobi

Nairobi, 24.11.09: Mit hängendem Rüssel

 © Die Elefanten-Waisenkinder ©.Foto: Lia VennDa hinten kommen sie: Um die 20 kleine und klitzekleine Elefantenwaisen, geführt von Wärtern in grünen Kitteln, die über zwei besonders mageren Kerlchen große, bunte Regenschirme als Schutz gegen die Sonne halten.

In gezügeltem Tempo laufen die Tiere einen Hügel herunter, auf große Milchflaschen mit Saugnapf, eine Schlammpfütze und die wartenden Touristen zu, die sich wie jeden Tag um 11 Uhr im Daphne Sheldricks Orphanage nahe der kenianischen Hauptstadt Nairobi eingefunden haben. Sie wollen die Fütterung der elternlos gewordenen Elefantenkinder nicht verpassen, die nur einmal am Tag öffentlich ist.

Der übrige Tag der Tiere besteht aus Lernen, Ruhen und Körperkontakt mit den Pflegern, die ihnen ein kleinwenig die Mutter ersetzen. Wenn die Kleinen spielen, steigt die Stimmung der Pfleger, denn das gilt als bestes Zeichen dafür, dass sie „es geschafft haben“ und überleben können. Etwa 18 Liter Milchersatz täglich helfen ihnen dabei.

Besser, es wären gar keine Mini- Elefanten da, leider sind es aber ungewöhnlich viele. Das kann nur eines heißen: Die Wilderei hat wieder zugenommen. Für Elfenbein werden nach wie vor Elefanten getötet, obwohl das seit Jahrzehnten verboten ist. Die Jungtiere bleiben bei den abgeschlachteten und ihrer weißen Stoßzähne beraubten Müttern stehen, befühlen mit ihren kleinen Rüsseln die vertrauten, leblosen Körper, bis sie, im besten Fall, von Wildhütern gefunden und nach Nairobi gebracht werden.

Es kann einen gruseln, dass Kenias Nachbarland Tansania jüngst vorschlug, den Status afrikanischer Elefanten auf der Liste der gefährdeten Arten von „bedroht“ zu „weniger bedroht“ herunterzustufen. Die Einnahmen durch das Elfenbein, das von natürlich gestorbenen Elefanten oder aus Behördenbeständen stamme, sollten in den Arten- und Naturschutz fließen. Wer’s glaubt. Kenia hat sich gegen diesen Vorstoß ausgesprochen. Gut so, denn Naturschützer beobachten, dass es jedes Mal auch zu einem Anstieg von Wilderei kommt, wenn Verbote im Artenschutz gelockert werden. Wie die kenianische Naturschutzorganisation KWS feststellte, sind in diesem Jahr fast 100 Elefanten wegen ihrer Stoßzähne umgebracht worden, vor zwei Jahren waren es 47. Gegenwärtig leben etwa 35000 Elefanten in Kenia.

Wer die kleinen, grauen Waisen beobachtet, möchte die tansanischen Nachbarn gerne auf das Grundstück hinter dem Mbagathi Gate des Nairobi National Parks beamen. Damit sie die Kleinen sehen: wie sie imWasser tollen, den Wärter schubsen, an der Flasche nuckeln, denRüssel in die Wassertonne halten, oder wie sie in einigen Fällen apathisch und traurig gucken.

Wenn sie so den Kopf neigen, den Rüssel hängen lassen und einfach nur geradeaus schauen, spürt man förmlich ihre Sehnsucht nach der Mutter. Doch beim Elfenbeinhandel geht es um Geld, dagegen kommt kein Elefantenjunges an. Der Eintritt insWaisenhaus, indem auch andere Tierkinder Unterschlupf finden, kostet 300 Kenia Schilling, etwa drei Euro.

Die Mitarbeiter freuen sich, wenn die Besucher mehr Geld geben. Pro Monat kostet die Pflege eines Elefantenkindes 650 Euro. Seit Gründung des Tier-Waisenhauses vor gut 30 Jahren wurden rund 50 Tiere großgezogen und ausgewildert.

Nachdem die Tiere eine Stunde Milch getrunken und im Wasserloch getobt haben und die Pfleger Vorträge für die Touristen gehalten haben, zieht die Elefanten- Waisen-Herde ab – den Hügel hinauf, in die zum Überleben nötige Ruhe.

Infos und Spenden: www.sheldrickwildlifetrust.org.

Suaheli des Tages: Pembe ya ndovu heißt Elfenbein.

Lia Venn
veröffentlicht am 24. November 2009 in der Frankfurter Rundschau.