Nairobi

Nairobi, 5.11.09: Die Sahara ist gepunktet und gestreift

Auf dem Weg zum afrikanischen Kontinent wird es zum europäischen Abschluss noch einmal recht zünftig. Am Flughafen in Zürich fährt ein Zugshuttle zu Gate E, wo die Suisse Air Richtung Daressalam, Zwischenstopp Nairobi, abhebt – aber nicht ohne Kuhglockengebimmel aus dem Off, dann folgen Jodler und eine muhende Kuh. Die in Tracht mitreisende Masaifrau schaut schön und ungerührt geradeaus.

Die in viel zu warmem Pullover reisende Europäerin dagegen schaut deutlich unsouveräner und wie angeklebt ein paar Tausend Kilometer weiter und höher aus dem Flugzeugfenster – auf die Sahara. Es ist Sand, stundenlang, Ewigkeiten weit, mal lybischer, mal nubischer, aber stets Sand. Satt sehen geht nicht.

Die Wüste von oben ist gerade oder quer gestreift, ist gepunktet, reliefartig - wie eine Blindenschrift des Windes. Oder wie ein Werk des deutschen Künstlers Anselm Kiefer. Sie ist plötzlich auf kleinstem Raum besiedelt, ist weder heiß, noch gefährlich. Achte darauf, lieber Jackson Mutinda, wenn du zur Frankfurter Rundschau fliegst.

Jetzt aber setzt die Fluglinie erstmal zur Landung auf dem Kenyatta Airport Nairobi an, eine gute Stunde verspätet. Da vorn verschwindet die Masaifrau. Man selbst steht da und guckt. Alle schwarz, alle geschäftig, viele lachen. Hinter einer Scheibe beten drei Männer in einer Moschee-Glasbox, in der Box daneben liegt die „Holy Bible“, ganz allein. Ein Kind rennt vorbei.

Frankfurt ist unglaublich fern. Dort hatte noch der Paläoanthropologe und Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Afrikaforschung an der Goethe-Uni, Friedemann Schrenk, geraten: „Sie sitzen im Flieger auf 24 A? Dann schauen Sie bei der Landung nach links, da liegen die Ngong Hills wie die Knöchel einer Hand.“ Wie gesagt, Verspätung, 18.30 Uhr wird es dunkel in Nairobi. So ließ sich die Hand vor Augen nicht sehen. In Deutschland ist es zu dieser Zeit zwar erst 16.30 Uhr, aber wie jetzt im Herbst trotzdem auch schon fast dunkel.

Zusammen mit Barbara Reich, alles regelnde Seele des Goethe-Instituts Nairobi, ging die Fahrt dann – im Dunkeln - entlang des National Parks Richtung Stadt. „Je nach Uhrzeit steht hier mal eine Giraffe und guckt“, sagt Goethes Seele. Dann steht da plötzlich ein Elefant. Er ist grau, mittelgroß und ein Modell vor einem Supermarkt. Dort geht es hinein, nach stundenlangem Flug ins Unbekannte, um das Frühstück für den ersten Morgen zu jagen. Wie das war im Supermarkt, und wie in Nairobi ein Erwachsener zum Kind wird, erzählt die nächste Geschichte.

Suaheli des Tages: Mtoto heißt Kind.

Lia Venn
veröffentlicht am 5. November 2009 in der Frankfurter Rundschau.