Frankfurt

Frankfurt, 5.12.09: Als Gott nach Nairobi kam

 © © colourbox.comIn Kenia vergeben Banken eigens Kredite für Fußballfans und Unternehmen bieten Gewinnspiele an, bei denen ein Ticket nach Südafrika winkt.

Alle Augen blicken nach Südafrika, wo der Countdown zum Megaevent des Sports, der Fußballweltmeisterschaft, läuft. Man rechnet damit, dass eine halbe Million Fans nach Südafrika pilgern werden, um das Sportspektakel mitzuerleben.

Dass die Afrikaner begeistert sind, dass die WM auf afrikanischem Boden stattfindet, ist nicht zu bestreiten. Ohne Frage ist es eine große Ehre, dass die Welt auf dem Kontinent zusammenkommt. Südafrika kann den meisten Gewinn aus dem Großereignis ziehen. Wenn alles gut geht.

Mit den Fans und Spielern werden zweifellos auch die Dollar ins Land rollen. Südafrika hofft auf einen Wirtschaftsboom, für den es angesichts der bittersten Konjunkturflaute seit zwei Jahrzehnten keinen besseren Zeitpunkt geben könnte.

Doch das Land, das schon lange vom Schreckgespenst Unsicherheit geplagt wird, hat jetzt die einmalige Gelegenheit, diesem vor den Augen der ganzen Welt den Garaus zu machen. Medienberichten zufolge wurde die Polizei in Südafrika um ganze Tausendschaften aufgestockt, 40.000 Kräfte wurden speziell für den Sicherheitsdienst in den Fußballstadien, den Hotels und auf den Hauptverkehrsrouten ausgebildet. Zudem hat man Interpol mit ins Boot geholt, um für die Sicherheit der Gäste und der Investitionen sorgen, die in Erwartung der Goldgrube 2010 immense Ausmaße angenommen haben.

Dass das größte Turnier des schönsten Spiels der Welt in Afrika stattfindet, zeigt, welche Bedeutung der Fußball auf dem Kontinent inzwischen hat. Mit Ghana, Nigeria, der Elfenbeinküste, Kamerun, Algerien und Südafrika ist Afrika bei der WM gut vertreten und Fans aus dem ganzen Kontinent wollen nach Südafrika reisen.

„Wir haben immer gesagt, dass die WM nicht Südafrika allein gehört. Diese WM ist für ganz Afrika“, so wurde Phumi Dhlomo, südafrikanischer Tourismusvertreter, kürzlich auf allAfrica.com zitiert.

In Kenia sparen einige Fans schon seit fünf Jahren darauf, nach Südafrika zu fahren. Banken bieten speziell für Fußballfans Kredite an, Unternehmen richten Gewinnspiele aus, bei denen als erster Preis eine Reise nach Südafrika zur WM winkt. Das Versicherungsunternehmen UAP Insurance führte vor fünf Jahren einen speziellen Sparvertrag für die WM ein und viele Banken bieten Darlehenspakete für WM-Reisende an.

Einige Angestellte haben ihren Jahresurlaub in die Zeit der WM gelegt und Firmen wie LG stocken ihre Lagerbestände an Fernsehgeräten auf – für diejenigen, die nicht nach Südafrika reisen.

Ganz gleich, wie die WM ausgeht, in Afrika hat sie schon jetzt Menschenleben verändert. Ungefähr vor einem Monat lief bei Reuters eine Meldung über den Ticker, in der über südafrikanische Omis berichtet wurde, die seit einiger Zeit an Township-Turnieren teilnehmen. Zweimal die Woche tauschen sie Küchenkittel gegen Fußballtrikot aus, streifen anstelle der üblichen Gummisandalen Fußballschuhe über und gehen zum Fußball. Die 35 Frauen des Vakhegula Vakhegula Teams — was im regionalen Xitsonga-Dialekt so viel wie „Omas“ bedeutet – sind 40 und bis über 80 Jahre alt. Sie haben sich dafür beworben, bei einem der Erstrundenspiele als „Vorgruppe” aufzutreten. Der nationalen Fußballverband antwortete ihnen, dass man ihre Bewerbung berücksichtigen werde. Viel Glück!

In Afrika knisterte es förmlich vor Spannung, als der heilige Gral des Sports, der 13 cm hohe WM-Pokal aus 18-karätigem Gold kürzlich auf eine Rundreise durch den Kontinent ging. Als er in Kenia Halt machte, schien die Welt einen Augenblick stehen zu bleiben. Die regionalen Fernsehsender übertrugen das Geschehen live. „Gott ist nach Nairobi gekommen”, so kündete ein Radiosender. Einen ganzen Tag wurde der Pokal im Nyayo National Stadium von Nairobi ausgestellt und alle Wege führten dort hin. Die Kenianer empfanden es sogar als Ehre, dass unter den Security-Kräften ein Kenianer war.

Die Politik, die sonst alle Diskussionen im Land und auch alle Schlagzeilen beherrscht, rückte ein Wochenende lang in den Hintergrund.

Munyao Mutinda
veröffentlicht am 5. Dezember 2009 in der Frankfurter Rundschau.