Frankfurt, 30.11.09: Perfekter Abend
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Wieder einmal Festzeit in Frankfurt. Wer erlebt hat, wie pompös die Bewohner und Besucher der Stadt am Mittwochabend die Eröffnung des Weihnachtsmarkts auf dem Römerberg begingen, konnte glauben, das Ereignis hätte zum ersten Mal stattgefunden. Doch es handelt sich um eine jahrhundertealte Tradition. Vor der feierlichen Eröffnung des Weihnachtsmarkts an diesem Abend hatte ich den Glauben an Weihnachten als religiöses Fest schon verloren. Weihnachten ist so kommerziell geworden, dass das Religiöse fast ganz in den Hintergrund getreten ist. Doch als ich sah, wie glanzvoll die Menschen die Weihnachtszeit in Frankfurt begrüßten, wurde mir klar, dass es noch Menschen gibt, die den Weihnachtstraditionen treu geblieben sind.
Dass die Veranstaltung weitgehend kommerziell geprägt ist, konnte jeder erkennen – sei es an den Würstchen, die überall wie Schmuck hingen, oder den Scharen von Mannequins in Nikolauskostümen – doch den Besuchern war ein Ausdruck der Nostalgie ins Gesicht geschrieben. Daran konnte ich ablesen, dass das Ereignis, so kommerziell es erscheint, den Menschen etwas bedeutet. Während die Kinder Karussell fuhren, warteten deren Eltern geduldig darauf, dass die Oberbürgermeisterin das Podium betrat und die Adventszeit einläutete.
Die Stände bildeten ein Lichtermeer, ein wunderbarer Anblick. Seit Mittwochabend ist mein Zynismus in Bezug auf Weihnachten geschwunden. Keine Frage, das rege Geschäftstreiben war nicht zu leugnen. Doch während ich der Musik von den Dächern lauschte und ein Sänger inbrünstig Weihnachtslieder vortrug, verstand ich, dass den Menschen, jungen wie alten, die allesamt die Abendkälte nicht gescheut hatten, um die Illumination des riesigen Weihnachtsbaums vor dem Römer mitzuerleben, Weihnachten etwas bedeutet.
Als die Oberbürgermeisterin mit ihrem Gefolge das Podium betrat, erhellten sich die Gesichter, und als ihre Ansprache endete und die Lichter entzündet wurden, brandete Applaus auf. Die älteren Menschen stimmten in die Weihnachtslieder ein, die oben vom Dach gespielt wurden. Es berührte mich, wie tief diese Tradition in ihrem Leben verwurzelt ist. Auch für Familien und Paare war es ein perfekter Abend. Das Angebot an Essen und Getränken war reichhaltig. Jetzt hat die Weihnachtszeit in Frankfurt richtig begonnen.
In Nairobi wird die Illumination des städtischen Weihnachtsbaums nie so feierlich begangen. Meistens lädt der Bürgermeister zu einer kleinen Feier ein, zu der die Stadtoberen und wichtige Geschäftsleute kommen. Gleichzeitig dient die Veranstaltung als Spendenaktion, um für die Obdachlosen der Stadt Weihnachtsgeschenke kaufen zu können.
veröffentlicht am 30. November 2009 in der Frankfurter Rundschau.