Berlin

Berlin, 16.2.10: Kurztrip in die Kälte

 © © www.colourbox.comUnter den ausländischen Berlin-Touristen liegen Italiener an der Spitze. Die Flüge sind billiger als ein Restaurantbesuch.

Sie sind einfach überall. Sie schießen Fotos von den Resten der Mauer oder stehen Schlange am Würstchenstand. Sie kommen am Freitag oder Sonnabend an und reisen am Sonntagabend oder Montagmorgen rechtzeitig vor Bürobeginn wieder ab. Italiener strömen als Wochenendtouristen für 48 Stunden zuhauf nach Berlin. Schließlich kostet ein Flugticket im Online-Sonderangebot weniger als ein Ausflug in die Umgebung ihrer Heimatstadt. Unter den ausländischen Berlin- Besuchern liegen die Italiener auf Platz eins: Nach der jüngsten Statistik der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) zählten die Hotels von Januar bis November 2009 rund 226000 Besucher aus Italien, die mehr als 647000 Übernachtungen buchten. Im Laufe der letzten zehn Jahre sind die Zahlen stetig gestiegen. 2000 wies die Statistik erst knapp 67000 italienische Gäste aus. Fluglinien lassen sich das Geschäft mit dem Kurzurlaub nicht entgehen. EasyJet, Ryanair, aber auch Air Berlin, Wind Jet und manchmal sogar Alitalia bieten spottbillige Tarife nach Berlin an. Jeden Freitag landen in Tegel und Schönefeld neun Direktflüge aus den wichtigsten italienischen Städten, fünf aus Mailand und Bergamo, drei aus Rom und einer aus Venedig. Am Samstag gibt es auch aus Turin, Pisa, Olbia und Neapel Direktflüge. Tickets kosten 52 Euro hin und zurück – zum Beispiel mit EasyJet aus Malpensa/ Mailand, nur eine Woche im Voraus gebucht. Kurzurlaub ist am günstigsten, Ryanair gewährt Ermäßigungen für Reisende, die nur Handgepäck mitnehmen.

Die gleichen Fluglinien vermitteln häufig billige Hotelzimmer. Die Touristen Lucia und Cristian haben für zwei Tage von Freitag bis Sonntag inklusive Hotel pro Person 120 Euro ausgegeben. „Wir wohnen in einer sehr schönen Jugendherberge“, erzählt das Paar, das mit Ryanai aus Bergamo kam. „Wir sind Freitagabend gelandet und sofort in einer deutschen Gaststätte essen gegangen.“ Beide sind zum ersten Mal in Berlin. Was tun Italiener 48 Stunden lang in Berlin, was sehen sie sich an, wie organisieren sie ihre Touren? Lucia und Cristian vertrauten den Tipps einer Freundin, die in Berlin gewohnt hat. Lorenzo und Alessia haben sich einen Stadtführer geleistet: einen ausgewanderten Italiener, der sich mit dem Job nebenher Geld verdient. Auch Alessia und Lorenzo aus Avellino in Kampanien kamen mit einem Easy- Jet-Flug und bleiben nur zwei Nächte. Am Samstagvormittag sind sie im Mauermuseum. „Wir haben unseren Reiseführer gebeten, uns die Innenstadt zu zeigen“, erzählen die jungen Leute. „Er hat uns einen vierstündigen Spaziergang durch Mitte vorgeschlagen, aber dafür war es uns zu kalt. Heute Nachmittag gehen wir ins KaDeWe.“ Die beiden haben bislang wenig von der Stadt mitbekommen. „Wir hatten nicht genügend Zeit“, sagen sie, „aber wir kommen wieder.“

Nicht nur junge italienische Paare wollen Berlin sehen, am Wochenende genießen ganze Gruppen von Freunden Berlin. Am Samstagabend um sieben sind Eugenio, Italo, Angelo, Edno, Andrea, Alessio, Cristian, Lucio und Paolo noch in der Reichstagskuppel, der einzigen Sehenswürdigkeit, die sie interessiert. Die neunFreunde kennen sich von Kindesbeinen an. Sie stammen alle aus Pescara in den Abruzzen und haben ein Sonderangebot für Flug und Hotel von Rom aus gebucht. „Wir sind am Freitagabend angekommen“, erzählt Eugenio. „Nachdem wir die Koffer im Hotel abgestellt hatten, haben wir uns in das Nachtleben rund um den Alexanderplatz gestürzt.“ Ihre Tour durch die Nachtlokale endete um sieben Uhr morgens in einer Döner-Bude. „Museen werden wir wohl kaum besuchen“, sagen die Freunde. „Am Sonntagabend reisen wir schon wieder ab. Wir wollen die Stadt sehen und Spaß haben.“ Das können Freundinnen auch: Federica, Sara, Elisabetta und Tania aus Bassano del Grappa in Venetien sind am Samstagnachmittag mit einem Flug aus Venedig angekommen. Für Sonntag haben sie sich den Flohmarkt am Mauerpark im Prenzlauer Berg ausgesucht. „Wir fliegen schon Montag früh wieder. Vorher wollen wir hier nach Andenken suchen“, erzählen sie. „Wir fühlen uns noch ein bisschen fremd hier. Für uns ist es das erste Mal in Berlin und wir wissen nicht genau, was wir in zwei Tagen sehen können.“

Am Sonntag um sieben Uhr abends verlassen Massimo und Mariateresa gerade das Pergamonmuseum. Auch sie sind mit einem Billigflieger gekommen. „Aber wir waren schon mal hier. Wir haben ein Angebot genutzt, um wieder zu kommen“, sagen die beiden. „Wenn man gezielt nach Sonderangeboten sucht, kostet einen der Flugweniger als ein Abend in einem Restaurant in Italien.“

Sara Scarafia
veröffentlicht am 16. Februar 2010 in Der Tagesspiegel.