Neustadt

Neustadt, 19.2.2013: Modern Art und Rustikales nebeneinander

 © Neustadt an der Weinstraße © Rolf Schädler
Zwischen Weinbergen und Fachwerk: Neustadt an der Weinstraße (Foto: Rolf Schädler)

Drei Wochen zu Gast in der Pfalz - da kommt man am Thema Wein nicht vorbei. Marjeta Kralj hat den Weinkenner Ulrich Fischer getroffen. Ein Gespräch über das größte Riesling-Gebiet weltweit und Vinotheken, die mit dem Museum of Modern Art in New York mithalten können.

Herr Fischer, die Auswahl an Weinen hier ist riesig. Helfen Sie mir: Was darf ich auf keinen Fall verpassen?

Fischer: Die Pfalz ist das größte Riesling-Gebiet der Welt, deswegen müssen Sie mit einem Riesling beginnen, vielleicht aus Deidesheim oder aus Forst. Eine wunderbare Rotweinsorte ist der Spätburgunder. Das dritte wäre ein Weißburgunder. Das ist eine Rebsorte, die in der Südpfalz, wo die Böden etwas schwerer sind, sehr gut gedeiht.

Und was zeichnet diese Weine aus?

Wir haben früh gelernt, die Säure etwas mehr zurückzunehmen. Eine andere Besonderheit ist, dass der Rheingraben von Mainz bis runter nach Basel einmal abgesackt ist. Dadurch sind sehr alte Gesteinsschichten an der Bruchkante nach oben gekommen. Wir haben hier zum Teil Weinbergböden, die 350 Millionen Jahre alt sind. An dieser Bruchkante sind die Bodenbedingungen sehr unterschiedlich, was die Sensorik der Weine stark prägt.

Die Gegend hier kommt mir schon im Winter sehr lebensfroh vor. Aber ich habe gehört, dass ich eigentlich ein Weinfest erleben müsste, um die Pfalz kennenzulernen …

Die perfekte Zeit in einem Weinanbaugebiet ist immer der September. Dann ist es noch warm, die Weinberge färben sich, und die Traubenlese beginnt. Die Weinfeste beginnen aber schon im April und gehen bis in den November hinein. Ich komme von der Mosel und habe festgestellt, dass in der Pfalz, wo die Böden reich sind, die Menschen auch ein wenig generöser, ein wenig gastfreundschaftlicher sind als anderswo. Da, wo es Überfluss gibt, sind die Menschen freizügiger.

Was würden Sie als typisch pfälzisch bezeichnen?

Typisch pfälzisch ist ein rustikales Restaurant. Ich kann Ihnen hier aber Weingüter zeigen, die eine Vinothek haben, die genauso gut neben dem Museum of Modern Art in New York stehen könnte. Oder Sternerestaurants mit ganz moderner Ausrichtung.

 © Ulrich Fischer © Marjeta Kralji
Ulrich Fischer, Leiter der Abteilung Weinbau und Önologie beim Zentrum Ländlicher Raum: „Wo die Böden reich sind, sind die Menschen auch ein wenig generöser“ (Copyright: Marjeta Kralj)
Und was sagen Sie als Nicht-Pfälzer zu der Schoppenglaskultur?

Als ich die Schoppengläser zum ersten Mal gesehen habe, habe ich nur den Kopf geschüttelt. Dann habe ich aber mal Wein ausgeschenkt und gesehen, dass niemand sein Glas alleine leer trinkt. Das ist etwas Geselliges, auch sehr unkompliziert. Daneben gibt es auch Weingüter, die ihre Flaschen für 30, 40 Euro in New York verkaufen. Wir haben in den letzten 20, 30 Jahren das Ursprüngliche, Unkomplizierte nicht aufgegeben, gleichzeitig aber eine tolle, moderne Weinkultur entwickelt.
 
Ich habe gehört, Sie kennen auch slowenische Weine. Gibt es Parallelen zwischen deutscher und slowenischer Weinkultur?

Eine Parallele ist, dass der Fokus auf den Weißweinen liegt. Und es gibt auch in Slowenien große Unterschiede zwischen den Regionen. Slowenien ist nicht groß, etwa so groß wie die Pfalz, aber ich habe ganz unterschiedliche Weine gefunden.
 
Kann man slowenische Weine eigentlich hier kaufen?

Ich glaube schon. Deutschland ist weltweit der größte Weinmarkt, wir importieren den meisten Wein der Welt. Das heißt, die 80 Millionen Deutschen sind sehr offen, sie probieren sehr viele verschiedene Weine.
 
Die Deutschen gelten doch aber als Biernation …

Im Süden trinken die Menschen 40 Liter Wein pro Person, wir liegen im Durchschnitt bei 25 Liter. Das ist ein vernünftiges Mittelfeld, ähnlich wie in England, niedriger als in Italien oder Spanien – aber seit 20 Jahren stabil, während es in den Weinnationen sinkt. Immerhin ist die Hälfte der Deutschen reine Biertrinker.
 
Ist das nicht ein Problem für den Weinabsatz?
Überhaupt nicht. In der Weinwelt haben wir in den letzten zehn, 15 Jahren enorm an Renommee gewonnen. Schwer für uns war, dass wir bekannt waren für süße, einfache, preisgünstige Weine. „Sweet and cheap“, das war ein Problem, nicht das Bier.
 
Wie haben Sie das geändert?
Wir haben 1989 festgelegt, dass pro Fläche nur noch eine gewisse Menge erzeugt werden darf. Der zweite Schritt war, sehr viel Geld in die Ausbildung zu stecken. Dazu kommt, dass wir vom Klimawandel profitieren. Slowenien übrigens auch. Die Trauben werden in den letzten 20 Jahren reifer.
 
Sind slowenische Weine hier bekannt?

Nein. Dafür ist die Präsenz zu gering, und in Deutschland tanzt der Bär. Die Italiener, die Franzosen, die Spanier puschen ihre Weine hier in Deutschland und für die anderen ist es nicht einfach. Ich würde Ihnen empfehlen, ein paar schöne slowenische Restaurants hier zu öffnen, die auch slowenische Weine reinbringen. Das ist der einfachste Weg. Die Italiener haben es
auch so geschafft.
 
Ich glaube, ich habe in Slowenien noch nie einen deutschen Wein gekauft. Vielleicht, weil ich auch kein deutsches Restaurant gesehen habe?
 
Was die deutsche Küche betrifft, ist sie besser als ihr Ruf, aber unser Weg ist eigentlich ein anderer. Zu italienischen Vorspeisen gibt es keinen besseren Wein als deutschen Riesling. Das sagen auch die Italiener. In Frankreich sind Süßweine nachgefragt, in Spanien wird zum Beispiel Gewürztraminer verkauft.
 
Zwischen Ihnen und den slowenischen Kollegen ist mittlerweile eine gute Zusammenarbeit entstanden. Wie kam es dazu?

Der Kontakt ist über den Weinwettbewerb Mundus vini entstanden. Da werden jedes Jahr 6000 Weine aus über 40 Länder verkostet und dahin kommen auch slowenische Önologen und Wissenschaftler.
 
Was hat Ihnen die Zusammenarbeit gebracht?

Wenn man EU-Projekte in der Wissenschaft haben möchte, ist es gern gesehen, wenn nicht nur die Großen, Deutschland, Frankreich und Italien dabei sind. Ich war auch beeindruckt von der Qualität, der Forschung und der Ausstattung dort. Mir ist es auch wichtig, dass unsere Studierenden nicht nur nach Australien, Amerika, Südafrika gucken, sondern auch diese alte Weinwirtschaften in Slowenien, Kroatien oder Georgien sehen.
 
Haben Sie von den Slowenen auch was gelernt?

Ja, die haben zum Beispiel die magnetische Nanopartikel entwickelt, die man in Hefe hineingeben kann. Man legt einen Magneten unter eine Sektflasche, und die Nanopartikel wandern dann alle runter, was eine Beschleunigung der Stabilisierung des Weines bringt.
Das Interview führte Marjeta Kralj
Veröffentlicht am 25. Februar 2013 in der „Rheinpfalz“
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