Ljubljana

Ljubljana, 8.3.2013: Die Ausgelöschten

 © Aleksander Todorovic, einer der Ausgelöschten, wartet auf den italienischen Rechtsanwalt Andrea Saccucci. Cancellati ist Italienisch und heißt übersetzt ausgelöscht.
Aleksander Todorovic, einer der Ausgelöschten, wartet auf den italienischen Rechtsanwalt Andrea Saccucci. „Cancellati“ ist Italienisch und heißt „ausgelöscht“ (Foto: Kathrin Keller-Guglielmi)

Tagebuch Ljubljana (2): Es gibt hässliche Flecken in der Vergangenheit des noch so jungen Staates Slowenien. Das erste, mit dem ich bei der Tageszeitung Dnevnik zu tun habe, sind Menschen, die vor 21 Jahren für inexistent erklärt wurden und noch heute um ihre Rechte kämpfen.

Die Izbrisani, die „Ausgelöschten“, sind Menschen serbischer, kroatischer oder mazedonischer Abstammung, die der slowenische Staat 1991 handstreichartig aus dem Personenregister löschte. 25.671 Menschen seien damals betroffen gewesen, erklärt mir mein neuer Kollege Uros Skerl. Sie hätten innerhalb einer bestimmten Frist die slowenische Staatsangehörigkeit beantragen sollen, taten es aber nicht, weil sie es entweder nicht wussten oder nicht wollten. Dass der Staat ihre Namen daraufhin löschte, erfuhr jeder von ihnen quasi nebenbei, wenn sein Name, etwa beim Arzt oder bei der Einwohnermeldebehörde, im Computer nicht zu finden war. Dieser Moment war für alle der Beginn einer Reise ins Nichts, die teilweise heute noch nicht zu Ende ist.

Rund 11.000 der Izbrisani leben heute in Serbien, sie hatten keine andere Wahl, als ihre Familien und ihre Heimat zu verlassen. Es gibt auch ganz tragische Schicksale: Etwa das eines Serben, der mitten im serbisch-kroatischen Krieg nach Kroatien deportiert wurde und dort ermordet wurde. Rund 300 der „Ausgelöschten“ kamen diese Woche in die slowenische Hauptstadt, um sich mit dem Mann zu treffen, der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen entscheidenden Erfolg für sie errungen hat: der italienische Rechtsanwalt Andrea Saccucci. Die Richter in Straßburg erkannten die tausendfache Namenslöschung im Juli letzten Jahres als Verstoß gegen die Menschenrechte an.

„Das war der Beginn meines dritten Lebens“, sagt einer der Männer, die gekommen sind, um der deutschen Journalistin ihre Geschichte zu erzählen. Er trägt nichts am Leib, was er nicht geschenkt bekommen hat. Aber er hat noch immer Kraft, um weiter zu kämpfen. Und die braucht er auch. Denn jetzt geht es darum, dass der slowenische Staat Entschädigungszahlungen übernimmt.

Von Kathrin Keller-Guglielmi
Veröffentlicht am 8. März 2013 in der „Rheinpfalz“
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