Düsseldorf

Düsseldorf, 16.11.2012: Weihnachts-Shopping zwischen Prunk und Punk

 © Daniela Gollob
Der Düsseldorfer liebt Luxus – zumindest auf der „Kö“ (Foto: Daniela Gollob)

Dieses Wochenende rüstet sich Deutschlands berühmteste Luxusmeile für das Weihnachtsgeschäft. Doch auch abseits der „Kö“ hat sich in Düsseldorf eine neue Modeszene entwickelt.

Bei Max Mara fängt es an, bei der Volksbank hört es eigentlich auch schon auf: das „Kö-Feeling“. In der Mitte, nahe der Steinstraße, ist der rote Teppich ausgerollt. Schwarzkopf sponsert die Bambi-Verleihung am 22. November. Auf dem Bürgersteig kleben Plaketten mit Silhouetten von deutschen Stars wie Heiner Lauterbach und Veronica Ferres. Paris, New York, Düsseldorf – so sieht sich die NRW-Landeshauptstadt am liebsten. 15 Uhr nachmittags ist die „Kö-Mitte“ hollywoodreif. Fußgänger drängeln mit ihren Smartphones an einer Kordel. Eine Frau fragt: „Wer ist der schicke Mann?“ Ratloses Kopfschütteln, fotografiert wird trotzdem. Noch ist zwar alles under construction – von Securitykräften und VIP-Absperrung keine Spur. Gleich soll aber Heiner Lauterbach kommen.

Vorher entern andere den roten Teppich: ein schicker Mann mit weißem Samtschal um den Hals und Wet-Effekt im Haar, danach ein Obdachloser im Rollstuhl mit einem kleinen Hund im Schoß. Beide werden enthusiastisch fotografiert.

Wie auf dem roten Teppich steht auch Düsseldorfs Prachtmeile vor ihrem großen Testlauf. Am 16. November wird mit dem Nacht-Shopping das Weihnachtsgeschäft eingeläutet. Ab dem 22. November bis ins neue Jahr hinein soll die „Kö“ glänzen. Unzählige Glühbirnen, und die falschen Tannenkränze sollen dann ihr Licht auf die Luxusstraße werfen. In Spitzenzeiten werden bis zu 5550 Passanten pro Stunde über die Luxusmeile flanieren. Auf der Goethestraße in Frankfurt sind es nur 2620 Personen pro Stunde. In Berlin, Hamburg und München liegen die Frequenzen bei 1000 bis 2000 Passanten. Düsseldorf gilt als Mekka für Luxus-Shopper. Und ihre Propheten, also die Händler, buhlen um die besten Plätze. 2007 erreichte der Hype um die Luxuslage seinen Höhepunkt: Die Mietpreise stiegen in einem Jahr um 20 Prozent.

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An diesem Wochenende wird das Weihnachtsgeschäft eingeläutet – auch in den Schaufenstern (Foto: Daniela Gollob)

Mittlerweile geht es langsamer, doch stetig weiter aufwärts – trotz schwacher Konjunktur. „Der Enthusiasmus ist weiterhin ungebrochen und es gibt einen üppigen Nachfrageüberhang nach entsprechenden Flächen, was die steigenden Mieten auch begründet“, sagt Frank Emmerich, Senior Director des Immobilienberatungsunternehmen Cbre. Für einen Quadratmeter auf der Düsseldorfer Luxusmeile, der vor zehn Jahren noch 240 Euro gekostet hat, sind jetzt bis zu 300 Euro fällig.

Cartier neben H&M

Doch neben der Weihnachtsstimmung gastiert auch die Krisenstimmung in einigen Geschäften. An Hausnummer 92 prangt ein Schild mit der Aufschrift „Adieu KÖ“. Hans Münstermann, ein Privatjuwelier, verkauft seine edlen Schmuckstücke mit 30 Prozent Rabatt: Der schwarze Brillantring kostet 6.265 Euro statt 8.950 Euro, Luxus-Manschettenknöpfe gibt es schon ab 1533 Euro. Hier sparen die Besserverdienenden. Auch nebenan, beim Pelzhändler Slupinski, ist das Schaufenster kaum mit Weihnachtsdekoration verziert, das breite rote Schild weist auf den Räumungsverkauf hin. Nerzmantel mit Zobelkragen für 8.770 Euro, ein Schnäppchen! Sonst würde das Luxusstück 15.950 Euro kosten. Andere Stücke sind bis zu 70 Prozent günstiger.

Das Unternehmen wurde 1920 von Heinrich Slupinski gegründet. 1935 kamen seine Prachtmäntel auf die „Kö“. Im zweiten Weltkrieg wurde das Geschäft, das damals noch in der der Hausnummer 61 beheimatet war, zerstört und musste wieder aufgebaut werden. 1986 zogen die Slupinskis weiter in Richtung Süden in die Nummer 92, einen Laden mit 600 Quadratmetern. Nach 77 Jahren auf der „Kö“ will die Firma den Mietvertrag nun nicht mehr verlängern. Geschäftsführer Peter Slupinski begründete die Schließung mit der für die heutigen Umstände zu großen Fläche. Pro Quadratmeter waren rund 200 Euro fällig.

„Die Luxusmeile hat von ihrem Glanz viel eingebüßt“, jammern die Nostalgiker (Patrioten). Sogar der Discounter Aldi hat sich auf der Prachtmeile eingemietet, Hausnummer 106. Neben Cartier haben auch Saturn und H&M eigene Filialen eröffnet. Doch der Luxus regiert weiterhin: „Diverse angesehene Marken suchen noch auf der „Kö“ und sind bereit, Mietverträge abzuschließen“, sagt Emmerich. Bottega Veneta, Brunello Cucinelle, Dolce & Gabbana, Dior, Moncler wollen sich auf der „Kö“ niederlassen. Dass Aldi sich ein Ladenlokal angemietet hat, sieht der Experte nicht als negativen Imagewandel der „Kö“. „Die Nummer 106 liegt nicht im hochwertigen Viertel, sie ist fast schon Friedrichstraße. Das hat also mit Luxusshopping nichts mehr zu tun.“

Hier ist die „Anti-Kö“

Dass Düsseldorf mehr als Luxusshopping ist, zeigt Christina Koch. Seit zwei Jahren ist sie Ladenbesitzerin auf der Ackerstraße, im Düsseldorfer Stadtviertel Flingern. Wenn sie den „Kö-Look“ beschreiben soll, dann fällt ihr ein Feuerwerk der Luxusmarken ein: Van-Laack-Pulli, Dolce & Gabbana-Jeans, Reiterstiefel, Burberry-Schal. Eine Louis-Vuitton-Tasche, die am Unterarm hängt. Vom Glamour und Weihnachtshype in den Flagship-Stores der „Kö“ ist in ihrer Second-Hand-Boutique namens Elementarteilchen wenig zu spüren. Sie kauft Kleider von Privatleuten: Lederjacken, Lackschuhe, Boots, Röcke, Accessoires auf Kommission. Trotzdem hat ihr Laden einen ganz eigenen Charme.

 © Elementarteilchen
In der Second-Hand-Boutique „Elementarteilchen“ dominieren knallige Farben (Copyright: „Elementarteilchen“)

Das Interieur ahmt eine antike Garderobe nach. Zwischen den vollgestopften Kleiderständern ist eine bequeme Ecke eingerichtet, mit schneeweißem Ledersessel. Ein Basset besetzt den edlen Platz, hebt faul seinen Kopf, wenn ein Kunde reinkommt - und senkt ihn dann wieder gelangweilt. Kein Shoppingstress, nirgendwo. Am Wochenende kann das schon mal anders aussehen. Dann zieht es die hippe Kundschaft aus allen Stadtteilen nach Flingern. T-Shirts gibt es für fünf Euro, zu einem ähnlichen Preis wie bei H&M, dafür aber alles andere als Konfektion von der Stange. Einen Prada-Mantel kann man schon für den Bruchteil des Originalpreises erwerben.

Auch die Stadt bewirbt das Quartier als alternative Shoppingmeile. Die offizielle Webseite von Düsseldorf listet den Stadtteil in der Kartei „Mode & Shopping“ auf. Rubrik: kreative Stadtteile. Hier ist die „Anti-Kö“. Der Hype um das „traditionelle Arbeiterwohnquartier im Düsseldorfer Stadtbezirk nullzwo“ ist groß, angeblich haben die Toten Hosen hier an ihren ersten Punkzeilen herumgebastelt.

Auf ihrem Debütalbum von 1983 (Opel-Gang) haben Campino & Co den Snobismus ihrer Heimatstadt ironisch verarbeitet „Wir sind aus einem schönen Ort / Armut ist hier ein Fremdwort / Jeden Sommer, jedes Jahr / trifft sich Düsseldorf auf Ibiza“. Der Song Modestadt Düsseldorf besingt die Klischees, die auch Frau Koch zwanzig Jahre danach noch pflegt. Punk und Prunk arbeiten sich in Düsseldorf bis heute aneinander ab.
Von Andrea Lukács
Veröffentlicht am 16. November 2012 bei „Handelsblatt Online“
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