Budapest

Budapest, 25.1.2013: Ungarn, wo ist der Luxus?

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Wenn's nur das Wetter wäre – Luxusläden ohne Kunden (Foto: Stiller Ákos/Hvg.hu)

In den Budapester Boutiquen herrscht gähnende Leere. Verkäufer stehen alleine in der Glitzerwelt hinter den Schaufenstern. Ungarns Luxusläden gehen die Kunden aus. „Budapest hat seine Identität verloren“, sagt der Experte Oliver Petcu.

Sie sind eine seltene Spezies geworden, die Luxus-Ladies von Budapest. Nur wer sich lange auf die Lauer legt, kann sie in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Dann eilen sie in ihren Pelzmänteln und ihren High-Heels mit Pfennigabsätzen über die Andrássy, Budapests noble Shoppingmeile, An diesem kalten, verschneiten Januarabend verlassen allerdings nur wenige von ihnen ihr warmes Nest.

„Ungarns Luxusmarkt war schon immer sehr volatil, weil er stark auf ausländische Käufer angewiesen ist“, sagt Luxusexperte Oliver Petcu von der Unternehmensberatung CPP Luxury Industry Management Consultants. Nur 30 Prozent aller Kunden kommen aus dem Inland, schätzt der Berater. Tourismus und Luxus gehen in Ungarn Hand in Hand.

Seit zwei Jahren finde ein Wandel statt, der langfristig zur Gefahr für die ungarische Luxusindustrie werden könnte: Statt wohlhabenden Reisenden aus Asien kämen nun vermehrt Low-Budget-Touristen aus anderen EU-Ländern und den USA, sagt Petcu. Die durchschnittlichen Übernachtungspreise in den Fünf-Sterne-Hotels von Budapest gehören zu den niedrigsten in Europa. „Wenn die Regierung keine finanziellen Anstrengungen unternimmt, um das Land touristisch neu zu positionieren, stehen allen Luxussektoren harte Zeiten bevor“, prognostiziert er.

Minusgrade auf dem Luxusbarometer

Auch das Personal der Luxusläden ist wenig optimistisch, wenn man sie fragt, wie die Geschäfte laufen. „Es sind kaum Kunden hier in den letzten Wochen”, sagt ein Türsteher eines Nobelshops. Er will nicht, dass sein Name in diesem Bericht auftaucht, plaudert aber offen über die Probleme, die die Luxusläden auf Budapests Boulevard haben: „Die wohlhabenden Touristen kommen momentan nicht, es ist kalt und ungemütlich.”

Wenn es nur das Wetter wäre: Die politische Unsicherheit und die europäische Schuldenkrise haben auch auf dem ungarischen Luxusmarkt deutliche Spuren hinterlassen. Für Louis Vuitton, Gucci und Burberry ist Ungarn der schwierigste Markt in Mitteleuropa. Die Immobilienpreise für exklusive Immobilien sind im Sinkflug.

Luxus hat in Ungarn traditionell keine Heimat. Zum einen weil die offene Zurschaustellung von Luxus in Ungarn verpönter ist als in der osteuropäischen Nachbarschaft. Zum anderen weil es die wohlhabenden Ungarn mit der Öffnung nach Westen in die großen Boutiquen zog – nach Mailand, Paris und München. „Wenige, sehr reiche Ungarn haben bisher meist im Ausland eingekauft und sie werden das wahrscheinlich auch weiterhin so machen“, sagt Petcu. Die großen Nobelmarken verzichteten darum zunächst auf eigene Niederlassungen in Ungarn. Erst mit dem EU-Betritt wurde Budapest auch als Standort für die Nobelboutiquen immer interessanter.

„Wir konkurrieren mit Wien und Mailand”, sagt auch Joszef Andrasch, Sprecher von Dolce&Gabanna in Ungarn. Als Billigstandort will er Budapest nicht verstanden wissen. Die Preise seien überall in Europa gleich. Im Gegensatz zum Luxusexperte Petcu ist er optimistischer: „Unser Geschäft hat sich im vergangenen Jahr wieder leicht erholt“, sagt Andrusch, Wie andere internationale Marken sind auch die Italiener mit ihrem Geschäft in Budapest vor allem von dem Geschäft mit Geschäftsreisenden und Urlaubern abhängig. Es sind die Flieger aus Seoul, Peking, New York und Dubai, die den Umsatz bringen.

Wein, Leberpastete und Porzellan

Einheimische Luxusmarken sind auf Budapests Luxusboulevard selten. Und auch im internationalen Markt haben es nur wenige ungarische Premiumhersteller geschafft, ihren guten Ruf aus der aristokratisch geprägten Vergangenheit in die moderne Luxuswelt zu übertragen. Insbesondere die kommunistische Herrschaft hat Spuren hinterlassen. Die Zwangsindustrialisierung und Urbanisierung der Arbeiterschaft bedeutete für viele kleine handwerkliche Betriebe mit einem hohen Qualitätsanspruch das Aus – sie gingen in Kooperativen auf.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden viele Premiummarken Ungarns an ausländische Luxuskonzerne verkauft und produzierten unter deren Namen weiter. Der Luxusexperte sieht trotzdem ein großes Potential für Premiummarken aus Ungarn. Neben Weinen, Leberpasteten, könne vor allem die Porzellanmanufaktur Herend ihr internationales Renommee besser nutzen, meint er. Der Luxusexperte sieht trotzdem ein großes Potential für Premiummarken aus Ungarn. Neben Weinen, Leberpasteten, könne vor allem die Porzellanmanufaktur Herend ihr internationales Renommee besser nutzen, meint er.

Selbst nach der Verstaatlichung durch die kommunistische Führung Ungarns im Jahr 1948 hatte die Manufaktur in der täglichen Geschäftsführung relativ freie Hand. Zu wichtig waren die Devisen, die durch das Nobelporzellan ins Land kamen. 1993 wurde das Unternehmen erneut privatisiert und liegt nun zu 75 Prozent im Besitz der eigenen Mitarbeiter. „Die Inhaber dieser Marken müssen verstehen, dass sie sich trotz ihrer großen Geschichte in einem harten internationalen Wettbewerb befinden“, sagt Petcu. Insbesondere im Ausland habe Herend es verpasst, durch geschicktes Marketing die Aufmerksamkeit auf das eigene Produkt zu lenken. Dass diese Einschätzung nicht falsch ist, bestätigen Recherchen zu diesem Artikel. „Wir haben uns entschlossen, keine Stellung zu nehmen“, ist die Antwort der Geschäftsführung auf eine Interviewanfrage.

Während es den ungarischen Marken es nicht gelingt, sich international zu positionieren, werden die internationalen Marken in Ungarn zunehmend skeptischer. Insbesondere im Modebereich sei damit zu rechnen, dass einige Boutiquen schließen, meint Petcu. Den Schlüssel für eine Trendwende sieht er im Tourismus. „Aber mit der derzeitigen Infrastruktur wird es Ungarn sehr schwer haben, die sehr wohlhabenden Reisenden anzulocken.“ Es ist also an der Regierung, die Luxus-Ladies auf der Andrassy vor dem Aussterben zu bewahren.


Oliver Petcu im Interview: „Budapest hat seine Identität verloren“

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Überall in Osteuropa schrumpft die Nachfrage nach Premiummarken – teilweise um mehr als 20 Prozent. Ist Osteuropa die Lust auf Luxus vergangen?

Petcu: Selbst die Länder, die bisher ein Potenzial für Wachstum vorweisen konnten, wie die Ukraine oder Serbien, schrumpfen nun stark – insbesondere im Luxusmarkt. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich: Im Wesentlichen die Politik, aber auch schrumpfende Nachfrage, finanzielle Instabilität und der fehlende Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten. Luxusmärkte wie Rumänien, Polen und Bulgarien haben im letzten Jahr stagniert, das ist auch 2013 zu erwarten. Durchschnittlich ist der Luxusmarkt in diesen Ländern um 20 Prozent gesunken.

Der ungarische und tschechische Luxusmarkt ist traditionell stark vom Tourismus abhängig. Wie stark trifft die Krise die Luxusbranche hier?

Seit den letzten zwei Jahren kommen vor allem Low-Budget-Reisende aus anderen EU-Ländern und den USA nach Ungarn. Die durchschnittlichen Übernachtungspreise in den Fünf-Sterne-Hotels von Budapest gehören zu den niedrigsten in Europa. Und die Pleite von Malev hat diese Krise noch verstärkt. Wenn die Regierung keine finanziellen Anstrengungen unternimmt, um das Land touristisch neu zu positionieren, stehen dem allen Luxussektoren harte Zeiten bevor. In 2013 werden viele Geschäfte schließen, insbesondere für Mode und Accessoires. Der Luxusmarkt der Tschechischen Republik ist in der Abhängigkeit von ausländischen Touristen vergleichbar mit dem ungarischen. Allerdings wurden hier einige Fünf-Sterne-Hotels neu eröffnet oder renoviert. Wie der ungarische Luxusmarkt, zielt die Luxusbranche gerade einmal zu 30 Prozent auf Einheimische. Es wird hier zwar keine großen Neueröffnungen geben, aber der Markt scheint zumindest sein Niveau halten zu können. Ein Grund ist, dass die Luxusmarken in Tschechien größtenteils kleine Shops mit einem begrenzten Angebot eröffnet haben.

Was unterscheidet den ungarischen Luxuskonsumenten von den anderen in Europa?

Ungarn, Kroaten, Polen und Slowenen sind dem angelsächsischen Luxuskonsumenten sehr ähnlich. Sie sind sehr konservativ und haben nur begrenzte Lust auf Luxusmarken. Das Bedürfnis mit Luxusmarken anzugeben, ist in diesen Ländern begrenzter als im Rest Osteuropas. Wenige, sehr reiche Ungarn haben bisher meist im Ausland eingekauft und sie werden das wahrscheinlich auch weiterhin so machen.

Wir reden bisher nur über die großen internationalen Marken. Welche lokalen Marken aus Ungarn hätten die Chance, international erfolgreich zu sein?

Ungarn hat ein großes Potenzial, eigene Luxusmarken aufzubauen – wie beispielsweise Porzellan von Herend oder Likör von Unicum. Aber die Inhaber dieser Marken müssen verstehen, dass sie sich trotz ihrer großen Geschichte in einem harten, internationalen Wettbewerb befinden. Insbesondere im Ausland hat Herend es verpasst, durch geschicktes Marketing die Aufmerksamkeit auf das eigene Produkt zu lenken. Auch ungarische Weine und Leberpasteten hätten ein großes Potential, wenn man sie ordentlich vermarktet.

Im heimischen Markt dürfte die Lage aber schwierig bleiben. Am Flughafen Budapest landen vermehrt Billigflieger wie Wizz Air und Ryanair ...

Die Wahrnehmung von Budapest als ein Knotenpunkt für den Billigtourismus könnte sich langfristig negativ auf das Image der Stadt auswirken. Budapest ist momentan eine Stadt, die ihre Identität verloren hat. Und die Behörden scheinen das Potenzial zu übersehen, das im Tourismus steckt. Dabei könnte man auch die Situation am Flughafen verbessern und lokale Premiummarken und Luxusartikel anstelle des üblichen Duty-free-Geschäfts anbieten.
Von Lukas Bay
Veröffentlicht am 29. Januar 2013 bei „Hvg.hu“
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